Rathauskita und Kreativhäuser
Quartier „Haus der Statistik“ wird Modellkiez für Wohnen, Arbeiten und Kultur

An der Otto-Braun-Straße entsteht ein Aktivitätenband, das urbane Sport- und Freizeitnutzungen integriert und einen Eingangsbereich zum Rathaus Mitte darstellt. | Foto: ©Teleinternetcafe und Treibhaus
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  • An der Otto-Braun-Straße entsteht ein Aktivitätenband, das urbane Sport- und Freizeitnutzungen integriert und einen Eingangsbereich zum Rathaus Mitte darstellt.
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Das brachliegende Areal rund um die Büroruinen des Hauses der Statistik (HdS) an der Otto-Braun-Straße wird in den kommenden Jahren zum Modellquartier in Mitte. Direkt am Alex entsteht ein Gemeinschaftsprojekt von Verwaltung, Wohnungsbaugesellschaft und Initiativen.

Moderne Büros, Duschen für die Mitarbeiter und eine Betriebskita in den obersten Etagen mit Spielflächen auf dem Dach – so soll das „Rathaus der Zukunft“ aussehen. In spätestens neun Jahren, wenn der Mietvertrag für das Rathaus Mitte hinter dem Kino International ausläuft, sollen die neuen Rathausbüros eröffnen. Der 64 Meter hohe Sechzehngeschosser, der an der Otto-Braun-Straße auf der Fläche des ehemaligen Rechenzentrums vom Haus der Statistik (wird abgerissen) gebaut wird, ist das nördliche Pendant zum Elfgeschosser, der an der Kreuzung seit 2008 leersteht und verfällt. In das Haus wird die Genossenschaft ZUsammenKUNFT Berlin (ZKB) ziehen und Räume für Ateliers, soziale, kulturelle und Bildungsprojekte bereitstellen.

In einer einzigartigen Kooperation entwickeln das Bezirksamt Mitte, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die WBM Wohnungsbaugesellschaft und die ZKB (die sogenannten Koop5) das drei Hektar große Areal. Noch vor Jahren wollten Bund und Berlin das Gelände in Spitzenlage verkaufen. Private hätten die Büroruinen abgerissen und aus dem Filetgrundstück am Alex ein Nobelviertel für Spitzenverdiener gemacht. Das neue Quartier für alle mit bezahlbaren Wohnungen sei bestes Beispiel der neuen Liegenschaftspolitik, sagte Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD).

Wohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter

In offenen Werkstattverfahren mit Bürgerbeteiligungen wird seit Monaten über die Entwicklung des Areals debattiert. Jetzt gibt es eine Entscheidung, wie das Gebiet entwickelt wird. Ein Obergutachtergremium hat sich für den städtebaulichen Entwurf der Planungsgemeinschaft Teleinternetcafe und Treibhaus aus Berlin und Hamburg entschieden. Nach den Plänen werden die bestehenden Plattenbauscheiben (46.000 Quadratmeter) saniert. In die Bürobauten ziehen das Finanzamt und die BIM.

An der Berolinastraße sind mehrere Neubauten mit insgesamt 40.000 Quadratmeter Bruttogeschossläche geplant. Die WBM errichtet siebengeschossige Wohnhäuser und einen 15-geschossigen Wohnturm (46 Meter) für 300 Wohnungen. WBM-Chef Jan Robert Kowalewski will die Hälfte der Wohnungen für 6,50 Euro Kaltmiete anbieten, die restlichen für mindestens zehn Euro. 2024 sollen die Wohnhäuser fertig sein.

Die Initiative ZKB will in einem neuen Zwölfgeschosser (37 Meter) ebenfalls Wohnungen für Flüchtlinge, Obdachlose, Wohngemeinschaften und Künstler anbieten. Wesentlicher Teil des Konzeptes sind die sogenannten Experimentierhäuser. Die drei sechsgeschossigen Häuser sind als Kreativzentren gedacht und sollen zu kostengünstigen Mieten von Künstlern oder Projekten genutzt werden. Idee ist, dass die Nutzer die grünen Hofflächen beleben und zum Beispiel auch mal draußen arbeiten.

Cafés und Kantinen sorgen für Urbanität. Kinder spielen in den Stadtzimmern, wie die Architekten die drei entstehenden Innenhöfe nennen. Die WBM wird ebenfalls eine Kita mit 25 Plätzen errichten. Die Rathauskita ist für 50 Kinder konzipiert.

Erdgeschossflächen fürs Viertel

Vorgesehen ist in den Bestandsgebäuden und in den Neubauten, dass die Erdgeschossflächen sinnvoll für das Viertel als Gemeinschaftsprojekt genutzt werden. „Alternativer Einzelhandel oder Bioläden“, nennt Architekt Urs Kumberger als Beispiele. Teure Flagshipstores von Nobelmarken wird es dort nicht geben. Für die Vermietung der Erdgeschossflächen soll eine Betreibergesellschaft gegründet werden, die auf den richtigen Mix achtet, sagte ZKB-Vertreterin Frauke Gerstenberg.

Das gesamte Viertel wird komplett autofrei und öffnet sich durch Kieznischen zum Quartier an der Berolinastraße, wie die Architekten die neuen Vorplätze nennen. Zwei 4,50 Meter hohe Durchbrüche in den Plattenbauriegeln docken das Quartier an die Otto-Braun-Straße an. Zwischen Fahrbahn und den sanierten Bürohäusern ist ein sogenanntes Aktivitätenband geplant: Dort sollen Sportangebote oder Bühnenpodeste für Belebung sorgen und einen quirligen Eingangsbereich zu Mittes neuem Rathaus bilden.

Für das Zukunfts-Rathaus Mitte und für die Wohntürme wünscht sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher einzelne Gestaltungswettbewerbe. Sie beziffert das Gesamtprojekt auf dem Areal Haus der Statistik auf 250 bis 350 Millionen Investitionskosten.

Zukunft des Pavillons ungewiss

Die BIM hat bereits mit der Sanierung der Bestandsgebäude begonnen. Bereits im Sommer sollen dort erste Zwischennutzungen starten. Die Zukunft des Pavillons des ehemaligen Fahrradladens zwischen dem Haus der Statistik und dem Haus der Gesundheit, den die HdS-Initiative für Planungswerkstatt und Ausstellungen nutzt, ist noch offen. Die Genossenschaft ZKB plädiert für einen Erhalt; in dem jetzt vorgestellten städtebaulichen Entwurf ist der Pavillon allerdings schon raus.

Der neun- und elfgeschossige Gebäudekomplex Haus der Statistik an der Otto-Braun-Straße 70-72 wurde zwischen 1968 und 1970 gebaut. Zu DDR-Zeiten rechneten dort Mitarbeiter der staatliche Zentralverwaltung für Statistik sozialistische Produktionsergebnisse zusammen. DDR-weit bekannt waren die Suhler Jagdhütte und der Natascha-Laden im Erdgeschoss. Nach der Wende nutzte die Stasi-Unterlagen-Behörde das Haus. Seit 2008 steht es leer. Ursprünglich sollten die Ruinen abgerissen werden. 2015 gründete sich die Initiative Haus der Statistik, die für eine Sanierung plus Neubau und eine gemeinsame Nutzung kämpft. Der rot-rot-grüne Senat hatte im Koalitionsvertrag festgeschrieben, „das Haus der Statistik als Ort für Verwaltung sowie Kultur, Bildung, Soziales und Wohnen zu entwickeln“. Das Projekt solle „Modellcharakter“ mit „neuen Kooperationen und einer breiten Mitwirkung der Stadtgesellschaft“ haben. Der Senat hat das Areal am Haus der Statistik im Oktober 2017 vom Bund erworben.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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