„Ich habe die Ausdauer und den Mut“
Katharina Günther-Wünsch über Berlins Schulprobleme und den langen Weg zu Verbesserungen

Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist seit April Senatorin für Bildung, Jugend und Familie. | Foto:  Hans-Christian Plambeck
  • Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist seit April Senatorin für Bildung, Jugend und Familie.
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Katharina Günther-Wünsch hat zunächst Medizin, dann Lehramt studiert, in Namibia und Südafrika unterrichtet und war ab 2013 Pädagogin an der Walter-Gropius-Schule in Neukölln, zuletzt als Vizeschulleiterin. Seit April ist die gebürtige Dresdnerin, Mutter von vier Kindern und CDU-Politikerin aus Mahlsdorf Senatorin für Bildung, Jugend und Familie. Berliner-Woche-Reporter Dirk Jericho sprach mit ihr.

Sie haben selbst schulpflichtige Kinder. Haben Sie das Gefühl, dass sie in Berlin gut gebildet werden?

Katharina Günther-Wünsch: Ich persönlich bin zufrieden und dankbar für das Engagement der Lehrkräfte. Wer wie ich aus einem anderen Bundesland nach Berlin gekommen ist, schätzt die vielfältige Bildungslandschaft in Berlin womöglich noch einmal mehr. Besonders die kostenfreie Kita ist ein wichtiger Ansatz für die frühkindliche Bildung, das hat längst nicht jedes Bundesland.

Unterrichtsausfall, Tausende fehlende Lehrer, marode Schulen und zu langsamer Schulneubau – vor Ihnen liegt eine Mammutaufgabe.

Katharina Günther-Wünsch: Die Herausforderungen sind groß, das war mir schon vor meinem Amtsantritt klar. Gerade deshalb will ich etwas bewegen. Die Berliner Schulbauoffensive hat an Tempo gewonnen, wir haben allein zum neuen Schuljahr sechs neue Schulgebäude ans Netz gebracht, wir werden bald den 100. Modularen Ergänzungsbau eröffnen. Zudem renovieren und sanieren wir. Die Baukräne sind derzeit überall in der Stadt sichtbar. Da tut sich etwas. Ansonsten wollen wir bei der Lehrkräftegewinnung auch neue Wege gehen: Wir prüfen die Einführungen des Ein-Fach-Lehrers und des Dualen Studiums. Berlin verbeamtet auch wieder, was den Beruf für viele noch attraktiver macht. Und verbeamtet werden nicht nur die neu einzustellenden Lehrkräfte, sondern auch die Bestandslehrkräfte bis zur bundesweit einmaligen Altersgrenze von bis zu 52 Jahren. Natürlich bin ich mit der Wissenschaftsverwaltung und den Universitäten auch im Austausch, wie wir mehr junge Leute für ein Lehramtsstudium gewinnen und es vor allem auch schaffen, dass sie zu einem Abschluss kommen.

Die Howoge darf für den Neubau von 25 Schulen Kredite für 5,6 Milliarden Euro aufnehmen. Immer mehr Schulden, damit Bildung überhaupt möglich ist. Ist das der richtige Weg?

Katharina Günther-Wünsch: Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge ist unser sehr verlässlicher Partner, der den Bau neuer Schulen zügig und absolut professionell umsetzt. Schauen Sie sich ruhig mal den Doppel-Schulneubau an der Allee der Kosmonauten in Lichtenberg an, den die Howoge dort gerade finalisiert. Da die Baukosten kriegs- und pandemiebedingt zuletzt deutlich gestiegen sind, ist es folgerichtig, das in der Summe der zur Verfügung stehenden Investitionsmittel abzubilden. Diese Summe hat Berlin jetzt von 2,6 Milliarden auf 5,6 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Das Ziel ist klar: Wir wollen alle geplanten Bauprojekte umsetzen und zwar ohne Abstriche, um die dringend benötigten Schulplätze zu schaffen.

Es gab so viele Erstklässler wie noch nie. Nicht wenige haben Sprachdefizite. Und auch der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften in Grundschulen ist groß. Wie wollen Sie diese Probleme lösen?

Katharina Günther-Wünsch: Wie gesagt: Wir müssen gemeinsam mit der Wissenschaftsverwaltung und den Universitäten daran arbeiten, dass mehr junge Menschen Lehramt studieren und darin auch einen Abschluss machen. Derzeit müssen alle angehenden Grundschullehrkräfte beispielsweise zwingend die großen Mathematik-Scheine zu Studienbeginn machen, dabei brauche ich als Grundschullehrkraft nicht unbedingt höhere Algebra. Es geht um die fachdidaktische Kompetenz, den Kindern die Welt der Zahlen altersgerecht näherzubringen. Mit den ab 2024 zur Verfügung stehenden Fachleiterstellen in Deutsch und Mathematik soll es den Schulen ermöglicht werden, im Kollegium individuelle Forder- und Förderstrukturen zu entwickeln. Aber wir setzen auch schon vorher an: Mit dem Kitachancenjahr wollen wir bereits bei der frühen Bildung Kinder mit Sprachdefiziten früh abholen und begleiten. Dadurch verbessern sich insgesamt die Bildungschancen für Kinder, denn wir sehen auch, dass Bildungsarmut immer noch ein Thema von Bildungszugängen und -chancen ist. Hier wollen wir deutlich verbindlichere Angebote schaffen.

Berlin ist im Bildungsmonitor auf den vorletzten Platz 15 abgerutscht. Sachsen steht auf Platz eins. Was macht Sachsen besser?

Katharina Günther-Wünsch: Es gab in Sachsen sicherlich weniger Schulexperimente als in Berlin. Ich erinnere beispielhaft nur an die verpflichtende Früheinschulung und das JüL-Muss (Jahrgangsübergreifendes Lernen, Anm. d. Red.) in Berlin. Wenn etwas von oben politisch durchgestellt wird, ohne die Schulen mitzunehmen, dann trägt das nicht gerade zum Bildungserfolg bei. Fairerweise möchte ich betonen, dass Berlin sich als Metropole und Stadtstaat natürlich ganz anderen Herausforderungen gegenübersieht: Mehr soziale Gegensätze, mehr arme Familien, mehr Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache – die Probleme sind vielschichtiger. Berliner Lehrkräfte sind hier also auch in besonderem Maße gefordert.

Sie sind eine durchtrainierte Sportlerin, laufen fast täglich an die zehn Kilometer, und das in Topzeiten. Wie lange dauert es noch, bis das Berliner Bildungssystem wieder läuft?

Katharina Günther-Wünsch: Als Sportlerin weiß ich, dass man nicht von Null auf Hundert zum Erfolg kommt und Verbesserungen im Bildungssystem in Berlin nur durch einen Langstreckenlauf und nicht durch einen Sprint zu erreichen sind. Es wird nicht den einen großen Wurf geben, vielmehr sind es viele kleine Rädchen, die ineinandergreifen müssen. Ich habe die Ausdauer und den Mut, die Rädchen zu drehen.

Was ist Ihr größter und dringlichster Wunsch für Berlins Kinder?

Katharina Günther-Wünsch: Grundsätzlich wichtig ist mir, dass möglichst alle Berliner Kinder später zu bestmöglichen Bildungsabschlüssen kommen, um ihr Leben selbstbestimmt meistern zu können. Den Berliner Kindern wünsche ich, dass sie in einem liebevollen Ambiente aufwachsen, ihre Talente entfalten können, Spaß am Lernen haben und dabei von engagierten Pädagoginnen und Pädagogen begleitet werden.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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