Stadtspaziergang
Unterwegs in der Stadt der weißen Kekse

Das Kino International gehörte bei seiner Eröffnung zu den modernsten Premierenkinos Europas und ist heute noch ein architektonisches Kleinod. | Foto: Ulrike Kiefert
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  • Das Kino International gehörte bei seiner Eröffnung zu den modernsten Premierenkinos Europas und ist heute noch ein architektonisches Kleinod.
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Dieses Mal lade ich Sie zur Berolinastraße ein. Die wurde vor 1963 auf der Nordseite des Viertels zwischen Alexander- und Strausberger Platz angelegt.

Einst tauften die Kaiser Wilhelm I. und II. mächtige Frauenstatuen, die mehrere Plätze schmückten, auf den Namen „Berolina“. Doch alle verschwanden wieder. Die Sieben-Meter-Kupferblech-Berolina vom Alexanderplatz musste Mitte der 1920er-Jahre dem U-Bahn-Bau weichen, dafür nannte man 1932 einen der beiden Alex-Bauten von Peter Behrens „Berolinahaus“. 1935, bevor Kupfer kriegswichtig wurde, kam sie vor das Alexanderhaus. Genau dort steht schon seit gut einem halben Jahrhundert die Weltzeituhr.

1889 wurde auch eine Berolina am Potsdamer Platz aufgestellt. | Foto: F. Albert Schwartz/Archiv Bernd S. Meyer
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Die Gegend östlich vom Alexanderplatz hat eine lange wechselvolle Geschichte. Wussten Sie, dass dort vor 500 Jahren am Galgenort Rabenstein 38 Juden wegen Hostienschändung öffentlich verbrannt und später der Pferdehändler Hans Kohlhase gerädert wurde? 1998 zog das Bezirksamt Mitte, das sehr lange im Alex-Berolinahaus gesessen hatte, zur Miete in das neue Hochhaus mit 16 Geschossen an der Berolinastraße (Adresse: Karl-Marx-Allee 31). Vorher war dort das Interhotel Berolina mit glatter Keramikfassade in Berliner Blau, das der folgende Bürobau in Größe und Farbe kopierte. Stand doch Hotel mit Kino davor bis zum Abriss unter Ensemble-Denkmalsschutz! Da es nicht mehr gebraucht wurde, konnte das 13-Etagen-Haus mit großem Foyer, internationalem Flair, Restaurants und 347 Einbett-, 36 Zweibettzimmern abgerissen werden.

Die anderen Bauten der Umgebung sind noch da. Man sieht ihnen an, dass sie damals nach einheitlichem Plan entstanden. Spötter nannten das luftige Quartier bald „Stadt der weißen Kekse“, denn serienweise hell gekachelte Wohnzehngeschosser Typ P2 in damals neuester Plattenbauweise dominieren es. Doch direkt an der Karl-Marx-Allee stehen sich zwei Gebäude gegenüber, die als Architektur vom Feinsten gelten: Das Kino International gehörte seit 1963 wie das Kosmos am Frankfurter Tor zu den modernsten Premieren-Großkinos Europas. In den International-Klubräumen tummelten sich legendäre Nutzer, so der Hootenanny-Klub mit dem kanadischen Folksänger Perry Friedmann, später der Oktoberklub. Inzwischen ist das Haus einer der angesagten Berlinale-Spielorte. Das Café Moskau gegenüber an der Ecke Schillingstraße entstand als exklusives Nationalitäten-Restaurant. Markenzeichen ist ein metallenes 1:1-Modell von Sputnik Eins über der Hausecke. Die Wand schmückt ein haushohes Mosaikbild des Malers Bert Heller. Innen- wie Außenräume, im Stil der 60er-Jahre-Moderne edel ausgestattet, wurden mehrfach vorsichtig restauriert und modernisiert. Derzeit ist das Gebäude ein Veranstaltungsort für bis zu 1600 Gäste.

Die legendäre „Mokka-Milch-Eisbar“

Auch die fünf Handelspavillons an der Allee kamen mit ihren feingliedrigen Aluminium-Glas-Fassaden dank Denkmalsschutz über die Zeiten, auch wenn die Nutzung wechselte. In dem Pavillon Ecke Berolinastraße war einst die legendäre „Mokka-Milch-Eisbar“, der Komponist und Sänger Thomas Natschinski sogar ein musikalisches Denkmal setzte.

Im Stadtviertel trifft man mehrfach auf „kaiserliche Spuren“. Im Oktober 1805 war Zar Alexander I. vom Preußenkönig vor den Königskolonaden begrüßt worden. Mit allerhöchster Order ist am 2. November 1805 die Sandgasse in der Königs-Vorstadt in „Kaiserstraße“, der Platz vor dem Arbeitshaus in „Alexanderplatz“ umbenannt worden. Die Straße hieß dann ab 1948 nach dem Demokraten von 1848 Johann Jacoby Jacobystraße, auch im geänderten Verlauf. Die Alexanderstraße bekam ihren heutigen Namen beim zweiten Besuch des „Herrschers aller Reußen“ im Mai 1819, als der Grundstein für das Kreuzbergdenkmal gelegt wurde, wo Alexander I. bis heute im Harnisch als eiserne Genienfigur erscheint. Kaiser, mit Vornamen Josef, gebürtig 1910, hieß dann auch der Kollektivchef des zweiten Bauabschnitts der Karl-Marx-Allee zwischen bogenförmiger Alexanderstraße im Süden und neuer, mehrfach abgewinkelter Berolinastraße im Norden. Auf dem damaligen Zeichenbrett des erfolgreichen Architekten entstanden maßgeblich das Hotel, beide Allee-Kinos und das Café Moskau, wie übrigens auch der Entwurf für die Staatsrats-Fassade, das Ministerium des Äußeren und das Centrum-Warenhaus am Alexanderplatz.

Der Spaziergang beginnt am 18. Dezember um 11 Uhr. Treffpunkt ist am Kino International, Karl-Marx-Allee 33. Verkehrsverbindung: U5 bis U-Bahnhof Schillingstraße. Übrigens wiederhole ich den Berolinastraße-Spaziergang in meinem Programm „Meyers Stadtgänge“ am 28. Dezember um 14 Uhr. Der Treffpunkt ist derselbe, die Teilnahme kostet sieben Euro. Anmeldungen dafür unter Tel. 442 32 31. Weitere Informationen auf www.stadtgaenge.de.

Die Führung ist für Leser der Berliner Woche kostenlos. Allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich: Am Dienstag, 14. Dezember, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 71 00.

Das Kino International gehörte bei seiner Eröffnung zu den modernsten Premierenkinos Europas und ist heute noch ein architektonisches Kleinod. | Foto: Ulrike Kiefert
1889 wurde auch eine Berolina am Potsdamer Platz aufgestellt. | Foto: F. Albert Schwartz/Archiv Bernd S. Meyer
Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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