Ganz große Masche
Im Strickkurs "Liebe Wolle" klackern die Nadeln
Altmodisch war gestern. Im Kieztreff Koepjohann räumen Strickfans mit einem verstaubten Image auf und lassen die Nadeln so richtig klappern.
Nachmittags im Kieztreff. Fünf Frauen mit der gleichen Leidenschaft sitzen in geselliger Runde um einen großen Tisch herum und stricken, was Spaß macht. Loops, Schals, Handstulpen, Socken und possierliche Wolltiere. „Ich stricke seit meiner Kindheit“, sagt Anne Katrin Hülsmann. „Eine Nachbarin hat es mir beigebracht.“ Vor ein paar Jahren hat die 57-Jährige die Handarbeit für sich wiederentdeckt. „Stricken ist für mich Meditation, ich bin aktiv und produktiv, ohne mich groß bewegen zu müssen.“ Neben ihr klackert Karin Maaß mit vier spitzen, glatten Nadeln. Sie strickt gerade an einem marineblauen Winterpullover. Die Anleitung für das norwegische Design hat sie aus dem Internet. „Ich komme eigentlich vom Nähen.“ Doch dann hat sie sich gedacht, „jetzt stricke ich endlich mal“.
"Alle lieben Wolle, und die Wolle liebt uns"
Das tut Karin Maaß nun im Wollkurs „Liebe Wolle“ im Kieztreff Koepjahn an der Großen Hamburger Straße. Der Kursname kommt nicht von ungefähr. "Alle lieben Wolle, und die Wolle liebt uns.“ Anne Katrin Hülsmann lacht. „Es ist ein schönes, weiches Material, daraus kannst du so vieles machen.“ Handstulpen zum Beispiel. Oder bunte Topflappen, an denen Gerda Groß gerade häkelt. 86 Jahre alt, ist sie das „Küken“ im Kurs. „Ich bin erst seit sechs Wochen dabei“, erzählt die Seniorin. Ihr Enkel hat sie angemeldet, weil sie zu ihrem alten Kurs immer so weit fahren musste. Fürs Häkeln braucht sie nur eine Nadel. Das ist der Unterschied zum Stricken. Und beim Häkeln ist jede Reihe oder Runde auch sofort fertig. „Weil die Masche nach jedem Durchzug des Fadens nicht mehr auf der Nadel bleibt“, erklärt Gerda Groß. Das hat den Vorteil, dass sie keine Maschen fallen lassen muss. Lange Wollschlangen bleiben der Handarbeiterin so erspart.
Wie strickt man bei Socken die Ferse?
Im Kurs tauschen die Frauen ihre Erfahrungen aus und geben sich Tipps. Wo es schwierig wird, helfen die Kursleiterinnen Inez Litterst und Anne Katrin Hülsmann weiter. So hat Vera Schlecht zum Beispiel eine besondere Technik erlernt, um bei Socken die Ferse zu stricken – die Bumerang-Technik. Die „Liebe Wolle“ gibt es seit dem Spätsommer 2021 als Kurs, erzählt Inez Litterst. Los ging es eigentlich mit dem Nähcafé „Flotte Lotte“. Doch es kamen immer mehr Teilnehmerinnen, die auch stricken und häkeln wollten. Die Wolle bringen die Frauen in der Regel selbst mit. „Wir rufen aber auch zu Spenden auf“, sagt Litterst. Oder sie besorgt die Wollknäuel auf dem Flohmarkt.
Im neuen Jahr geht es mit dem Wollkurs weiter. Denn Stricken, da sind sich die fünf Frauen einig, entspannt ungemein. „Stricken macht Spaß. Egal, ob man damit gerade erst anfängt oder schon Profi ist.“ Und mit noch einem Vorurteil wollen die Frauen aufräumen: „Stricken ist wieder in Mode." Die Wolle macht’s. Altmodisch war gestern, verstaubt erst recht.
Der Kurs "Liebe Wolle" trifft sich immer mittwochs von 14 bis 17 Uhr im Kieztreff der Koepjohann’schen Stiftung, Große Hamburger Straße 29.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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