Eine Zuckertüte für jedes Kind
Der Verein Wunschbäumchen tritt sozialer Benachteiligung in der Schule entgegen

Daniela Lungwitz-Mohamad mit ihrem Sohn, der ebenfalls Vereinsmitglied ist, und dessen Freundin. | Foto: pv
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  • Daniela Lungwitz-Mohamad mit ihrem Sohn, der ebenfalls Vereinsmitglied ist, und dessen Freundin.
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Daniela Lungwitz-Mohamad und ihr Verein Wunschbäumchen Berlin haben am 4. August Neuköllner Kinder glücklich gemacht: Sie konnten im Nachbarschaftstreff an der Mahlower Straße vorbeikommen und sich mit allem eindecken, was für eine anständige Einschulung nötig ist.

Federtaschen, Tuschkästen, Hefte, Turnbeutel, Bastelschürzen, Scheren, Schultüten und noch viel mehr waren auf langen Tischen aufgebaut, ein paar Leckereien gab es obendrauf. Rund drei Stunden hat die Verteilaktion gedauert, denn die gut 70 Kinder durften einzeln in den Raum und sich in Ruhe das Gewünschte aussuchen.

„Manche haben bestimmte Sachen noch nie gesehen und konnten erst einmal gar nicht begreifen, dass sie wirklich die freie Wahl hatten“, so Daniela. Verständlich, denn alle Mädchen und Jungen kommen aus Familien mit wenig Geld, deshalb war auch ein Hartz-IV-Bescheid oder ein anderer Bedürftigkeitsnachweis mitzubringen.

An diesem Tag sollten die Kinder einmal nicht in Kategorien wie „zu teuer“ denken, sondern unbeschwert sein und vor allem ein paar Minuten lang ganz im Mittelpunkt stehen. „Bei vielen Eltern hat die Einschulung keinen besonderen Stellenwert, das finde ich schade“, sagt Lungwitz-Mohamad und erzählt von ihrem eigenen großen Tag, der mit Freunden und Verwandten gefeiert wurde.

Damit es noch schöner für die Kinder wird, will sie im nächsten Jahr etwas ändern: Dann dürfen selbst Eltern und Geschwister nicht mehr mit zu den Gabentischen und müssen nebenan warten. Denn für die Geschwister sei es nicht schön, wenn sie selbst leer ausgingen, und die Erwachsenen versuchten zu oft, den kleinen Schulanfängern etwas aufzuschwatzen, so Daniela.

Nicht von Anfang an als arm erkennbar

Begonnen hat das Projekt 2013. Damals beobachtete sie von ihrem Wohnungsfenster im Schillerkiez aus ABC-Schützen – ohne Zuckertüte. Sie fragte ein wenig herum und erfuhr, dass manche Eltern ihre Kinder tatsächlich mit leeren Händen losschickten. Sollten sich die Kleinen gleich am ersten Tag des neuen Lebensabschnitts benachteiligt fühlen? Nein. Daniela beschloss, dass etwas geschehen müsse und begann, Spenden zu sammeln.

Im ersten Jahr wurden 15 Kinder beschenkt, im vergangenen waren es mehr als 100. Inzwischen haben Daniela Lungwitz-Mohamad und ihr Mann einen gemeinnützigen Verein gegründet. Der macht es einfacher, Sponsorengelder und Unterstützung vom Quartiersmanagement zu bekommen.

Die Vorbereitungen für den Schultütentag beginnen für die Vereinsmitglieder schon im Februar. Daniela ist inzwischen eine Meisterin darin, günstige, aber gute Materialien im Internet zu finden. Sie will den Kindern Vielfalt bieten, unterschiedliche Motive zieren selbst die einfachen Schreibhefte. Auf teure Markenartikel verzichtet sie bewusst. „Ich finde es schlimm, wenn Schulen vorschreiben, dass zum Beispiel ein Tuschkasten von einem ganz bestimmten Hersteller zu kommen hat. Ich sage den Eltern immer: Lasst euch nicht unter Druck setzen“, erzählt sie. Ebenfalls ärgerlich findet sie, dass das Jobcenter nicht eine Extrazahlung für Schulanfänger lockermacht.

Daniela Lungwitz-Mohamad hat auch beruflich mit Kindern zu tun und sich damit einen Traum erfüllt. Schon als kleines Mädchen wollte sie Kindergärtnerin werden. Die Mutter riet ihr ab: zu viel Verantwortung für zu wenig Geld. Also ging sie in den kaufmännisch-medizinischen Bereich. Nach einigen Jahren landete sie bei einer Werbefirma, die Sommerfeste des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ sponserte.

Über Umwege zum Beruf mit Kindern

Daniela war in ihrem Element. „Ich liebte es zu organisieren und ich liebte die Kinder.“ Sechs Jahre lang schmiedete sie zu Hause an der Idee, eine Kinder-Eventagentur zu gründen, scheute jedoch den Sprung in die Selbstständigkeit. Als ihre Firma alle Mitarbeiter auf die Straße setzte, nutzte sie die Gelegenheit, zog das fertige Konzept aus der Schublade und legte los. Es lief zweieinhalb Jahre gut, dann machte ihr eine Krankheit einen Strich durch die Rechnung.

Sie schulte um zur Sozialtrainerin. Heute arbeitet sie in der eigenen Wohnung und unterstützt Mädchen und Jungen mit Lernproblemen. „Ich habe mit Kindern zu tun, die überall hinten runtergefallen sind und auch nicht beim Förderunterricht in der Schule richtig sind“, sagt sie. Manchmal müsse sie ganz am Anfang beginnen, beispielsweise einem Viertklässler das Grundkonzept von plus und minus erklären. „Aber die Kinder blühen schnell auf, sie sind ganz, ganz toll.“

Der Verein Wunschbäumchen sorgt übrigens nicht nur für Schulmaterial: Die Mitglieder packen Nikolaus-Pakete, bringen Bücher in Kitas, unterstützen Obdachlose und einiges mehr. Das neueste Projekt, das künftig jeden Monat stattfindet: Vor ein paar Tagen zogen Daniela und ihr Mann zum ersten Mal eine Zahl, es war die 19. Alle Kinder, die am 19. September Geburtstag haben, können sich nun melden. Sind es mehrere, bestimmt das Los, wer ein Geschenk bekommt. Voraussetzung ist auch hier Bedürftigkeit, die Familie muss also auf Hartz IV oder andere soziale Leistungen angewiesen sein.

Alles Weitere ist zu erfahren auf der Facebook-Seite von Wunschbäumchen, unter wunschbaeumchenschuetteln.wordpress.com oder telefonisch unter 0176 24 87 33 52.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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