Bürgermeisterin über Chancen und Herausforderungen im Bezirk
Neukölln. Im April 2015 wählte die Bezirksverordnetenversammlung Franziska Giffey zur Amtsnachfolgerin von Heinz Buschkowsky. Am 18. September stellt sie sich erneut zur Wahl, diesmal den Wählern.
Frau Giffey, Sie sind jetzt ein Jahr und vier Monate im Amt. Wie fühlt es sich bis jetzt an?
Franziska Giffey: Es fühlt sich gut an. Ich fühle mich angekommen und meinen Aufgaben gewachsen. Wir haben viel auf den Weg gebracht und auch weitergeführt, was unter Heinz Buschkowsky begonnen wurde. Man kann schon einiges bewegen. Das ist keine leichte Aufgabe, sondern immer auch begleitet von der Erkenntnis, dass man es nie allen recht machen kann. Es gibt nie genügend Geld und nie genügend Personal, um alles zu tun, was wünschenswert wäre.
Was macht Ihnen am meisten Kopfzerbrechen?
Franziska Giffey: Wir sind nach wie vor ein sozialer Brennpunkt. Ein Viertel der Bevölkerung im Bezirk sind Kunden im Jobcenter. Unser Bezirksetat ist zwar mit über 800 Millionen Euro im Jahr nicht schlecht. Wir geben aber 76 Prozent für Sozialleistungen aus. Das ist etwas, was einhergeht mit Bildungsferne, mit Konflikten, mit Gewalt in der Familie, mit mangelnder Förderung der Kinder und mit sozialen Verwerfungen. Das alles hält uns davon ab, diese Gelder anders einzusetzen, weil so viele Menschen nicht selbst mit ihrem Leben klarkommen. Wir müssen es schaffen, dass die Kinder, die hier aufwachsen, so erfolgreich die Schule abschließen, dass sie danach für sich sorgen können. Dass sie einen Beruf lernen, eine Familie gründen, berufstätig sein können, dass sie auch einen Beitrag dazu leisten können, den Fachkräftemangel zu beheben.
Welches sind Ihre drei wichtigsten Themen für den Bezirk für die kommenden fünf Jahre?
Franziska Giffey: Neben der Bildung vor allem eine wirtschaftsorientierte Stadtentwicklung. Wir brauchen gute Arbeit und müssen daher gute Rahmenbedingungen schaffen. Deshalb haben wir die Wirtschaftsförderung personell aufgestockt und zusätzliche Fördergelder eingeworben. Auch die soziale Stadtentwicklung, also bezahlbare Mieten, Wohnungen und Wohnungsneubau, werden sehr wichtig bleiben sowie das Thema Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit. Ein Großteil der Bürgerbriefe, die ich bekomme, dreht sich um das Thema Müll. Mit der Aktion Anti-Müll und unserer Sauberkeitskampagne gehen wir das an. Zudem haben wir eine wachsende Stadt und brauchen daher generell mehr Personal in allen Ämtern, um die Aufgaben zu bewältigen. Dafür erarbeiten wir gerade ein Personalentwicklungskonzept.
Mit welchen erreichten Zielen sind Sie besonders zufrieden?
Franziska Giffey: Seitdem die SPD im Rathaus regiert, gehen jedes Jahr über 80 Prozent der Mittel, die wir investieren können, in den Schul- und Bildungsbereich. Die Integration der Menschen, die zu uns kommen, ist ein weiteres wichtiges Thema. Die große Klammer bei allem bleibt das Thema Gerechtigkeit. Es geht um die gerechte Verteilung von Ressourcen, von Wohnraum, von Chancen und Möglichkeiten. Wenn sich bestimmte Gruppen vernachlässigt fühlen, führt das zu sozialem Unfrieden. Die Frage lautet: Wie schaffen wir es, die wenigen Ressourcen gerecht zu verteilen und damit den sozialen Frieden zu bewahren?
Macht Ihnen die Entwicklung in der Türkei und deren mögliche Auswirkungen hier Sorgen?
Franziska Giffey: Ja, natürlich. Die Ereignisse in der Türkei gehen direkt in das Neuköllner Leben ein, auf dem Schulhof, im öffentlichen Leben, im Job. Die Angst, dass etwas von diesem Konflikt hier ausgetragen wird, ist spürbar, denn Anhänger der verschiedenen Lager leben nun mal hier. Wir werden auch sicherlich einen Anstieg von Asylanträgen von politisch Verfolgten aus der Türkei haben.
Würden Sie nach der Wahl erneut eine Zählgemeinschaft mit der CDU eingehen?
Franziska Giffey: Wir müssen das Wahlergebnis abwarten. Schwierig wird es aber, wenn die AFD einen Stadtratsposten stellen kann. Wie will man denn in so einem internationalen Bezirk wie Neukölln jemandem die Verantwortung für ein solches Amt geben, wenn er den größten Teil der Bevölkerung ablehnt? Ich hoffe, dass diejenigen, die sich für demokratische Parteien entscheiden, tatsächlich ihr politisches Wahlrecht wahrnehmen. SB
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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