Verdrängte Geschichte
Wissmannstraße oder der Herero-Stein erinnern an deutsche Kolonialzeit

Kolonialwarenläden gehörten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Berliner Straßenbild. Dort wurden Waren wie Kaffee, Tee, Kakao, Tabak, Reis und Zucker verkauft. | Foto: Museum Neukölln
  • Kolonialwarenläden gehörten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Berliner Straßenbild. Dort wurden Waren wie Kaffee, Tee, Kakao, Tabak, Reis und Zucker verkauft.
  • Foto: Museum Neukölln
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„Verdrängte Geschichte – Spuren kolonialer Vergangenheit in Neukölln“ heißt die neue Ausstellung in der Helene-Nathan-Bibliothek, Karl-Marx-Straße 66. Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD) eröffnet sie Freitag, 24. August, um 18 Uhr.

Ausgangspunkt ist die Westafrika-Konferenz. Im November 1884 lud Reichskanzler Otto von Bismarck Vertreter der USA, des Osmanischen Reiches und vieler europäischer Mächte zur Zusammenkunft nach Berlin ein. Mehrere Monate ging es darum, die Handelsfreiheit am Kongo und Niger zu regeln.

Der Grundstein für die Aufteilung Afrikas war gelegt. Neben Hamburg und Bremen mit ihren Überseehäfen entwickelte sich die Reichshauptstadt Berlin schnell zur Kolonialmetropole.

Bis zum ersten Weltkrieg besaß das Kaiserreich vier Kolonien auf dem schwarzen Kontinent: Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania), Deutsch-Südwestafrika (Namibia), Kamerun und Togo.

Spuren dieses Geschichtskapitels finden sich auch im Stadtbild Neuköllns. So wie die Wissmannstraße, benannt nach Hermann von Wissmann, Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und berüchtigt wegen seiner Brutalität gegen die einheimische Bevölkerung. Es ist vor allem den Bündnisgrünen zu verdanken, dass die meisten Kiezbewohner inzwischen mit dem unseligen Wirken Wissmanns vertraut sind: Sie setzen sich seit Jahren für eine Umbenennung der Straße ein, die von der Hasenheide zur Karlsgartenstraße führt.

Auch der Namensgeber der Woermannkehre, die in der Nähe der Buschkrugallee liegt, ist eng mit dem Kolonialismus verbunden. Adolph Woermann (1847-1911) war zu seiner Zeit der größte Westafrika-Kaufmann und mit seiner Woermann-Linie der größte Privatreeder der Welt. Er war maßgeblich an der Einrichtung der deutschen Kolonien beteiligt.

Es gibt weitere Zeugnisse im Bezirk: Auf dem Garnisonfriedhof Columbiadamm findet der historisch Interessierte den „Herero-Stein“, der allerdings lange Zeit nur an die Täter, nicht an die Opfer des berühmten Aufstandes in Südwestafrika erinnert hat. In den Jahren 1904 bis 1907 rebellierten die ihrer Lebensgrundlage beraubten Herero gegen die weißen Machthaber, später schloss sich die Bevölkerungsgruppe der Nama an. Die deutschen Kolonialherren reagierten mit enormer Grausamkeit, die mehr als 50 000 Menschen den Tod brachte. Viele wurden erschossen, viele zum Verhungern in die Wüste getrieben. Wissenschaftler sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Seit Oktober 2009 gibt es neben dem Herero-Stein eine Namibia-Gedenkplatte, die den ermordeten Herero und Nama gedenkt.

Die Ausstellung wurde vom Museum Neukölln erarbeitet. Sie läuft bis zum 3. November. Zu sehen ist sie zu den Öffnungszeiten der Bibliothek, montags bis freitags von 11 bis 20 Uhr, sonnabends von 10 bis 13 Uhr.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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