"Die Superarmen" sind stets zur Stelle
Gemeinnütziger Verein hilft Bedürftigen bei alltäglichen Erledigungen / Mitglieder gesucht

Haben wenig Geld, aber viel zu geben: "Arme für Arme" lautet das Motto von Christa Vieten, Eva-Maria Koppin, Herbert 0. Ganswindt und Wolfgang Retzlaff. | Foto: Foto: Schilp
  • Haben wenig Geld, aber viel zu geben: "Arme für Arme" lautet das Motto von Christa Vieten, Eva-Maria Koppin, Herbert 0. Ganswindt und Wolfgang Retzlaff.
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„Die Superarmen“ setzen sich für Menschen ein, die noch bedürftiger sind als sie selbst: uneigennützig, bodenständig und, allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz, mit guter Laune. Gerade ist ihr Verein als gemeinnützig anerkannt worden. Neue Mitglieder sind erwünscht.

In der „Kleinen Bäckerei“ an der Ecke Karl-Marx- und Silbersteinstraße sitzen sie oft, so auch heute. Christa, genannt Chrissy, Eva, Herbert und Wolfgang (Wolle) vom Verein „Die Superarmen“ plaudern über den Papierkram, den sie hinter sich haben, über Steuernummern, das Vereinskonto, das es zu eröffnen galt.

„Wir mussten uns da reinfuchsen, aber es hat Spaß gemacht. Nun können wir auch anderen beim Ausfüllen von Formularen zur Seite stehen“, sagt Chrissy. Doch die Truppe, die aus Rentnern und Hartz-IV-Empfängern besteht, hat noch mehr vor. Das steht auch in ihrem Flyer, den Wolle produziert hat: „Wir möchten Lebewesen (Mensch & Tier), die sich manchmal vom täglichen Leben überfordert fühlen, unterstützend helfen, stressige Situationen zu meistern.“

Herbert gibt ein Beispiel: „Ich gehe regelmäßig für eine ältere Dame einkaufen, zur Apotheke und begleite sie zum Arzt.“ Egal ob es einen Schrank zu verrücken gilt, jemand krank ist und es nicht schafft, den Hund Gassi zu führen oder die Küche zu putzen ist: „Die Superarmen“ sind zur Stelle. Auch für persönliche Probleme haben sie offene Ohren. Alles ohne Bezahlung. Zehn Mitglieder hat ihr Verein derzeit, Verstärkung wird gesucht. „Wir nehmen auch gerne Jüngere auf. Jeder, der friedlich und hilfsbereit ist, ist willkommen. Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle“, sagt Herbert. „Überhaupt nicht!“, bestätigt Chrissy mit Nachdruck. Auch wer etwas mehr Geld habe, dürfe mitmachen, fügt sie grinsend hinzu.

Zwei große Wünsche haben sie. Erstens würden sie gerne jemanden in ihren Reihen begrüßen, der ein Auto hat. So könnten sie ihren Aktionsradius ausdehnen und auch mal Sachen transportieren. Zweitens suchen sie Räumlichkeiten, wo auch kleine Feste möglich sind – für Menschen, deren Wohnung zu eng dafür ist. Der Monatsbeitrag ist mit drei Euro gering.

Um Geld in die Vereinskasse zu bekommen, sind sie jeden Sonntag mit einem Trödelstand auf dem Flohmarkt am Weißenseer Hansamarkt. „Dort können wir unsere Sachen in einer Box lagern und müssen sie nicht hin- und herschleppen. Außerdem ist die Miete nicht hoch“, erklärt Chrissy den weit entfernten Standort.  Bisher waren sie auch auf dem Markt vor Obi an der Karl-Marx-Straße präsent. Das können sie sich nicht mehr leisten, weil die Unterstützung vom Quartiersmanagement Ganghoferstraße weggefallen ist. Und Gewinn machen wollen sie natürlich – auch wenn es meistens nicht mehr als ein paar Euro sind.

Kennengelernt haben sie sich bei „Laib und Seele“, der Essensausgabe an der Magdalenenkirche, wo sie sich jede Woche Lebensmittel abholen. „Irgendwann fragte ich: Haben wir uns eigentlich jemals bei den Ehrenamtlichen dort bedankt?“, erzählt Chrissy. Die Antwort war: nein. Also füllten sie und ihre Freunde vor drei Jahren für die Helfer einige Osterkörbchen. Es folgte ein Sommerfest, bei dem sie die Mitarbeiter bewirteten, im Jahr darauf folgte ein nächstes. „Es flossen Tränen der Rührung, und wir hatten die Idee, regelmäßig etwas für andere zu tun.“

Der endgültige Anstoß zur Vereinsgründung kam im vergangenen Jahr. Sie hatten einen Trödelstand auf dem Richardplatz, die Erlöse sollten an ein Katzenhaus gehen, das von Schließung bedroht war. Doch zu ihrer großen Enttäuschung wurde nichts daraus, die Ausgaben waren höher als die Einnahmen. „Ein Mitarbeiter vom Ordnungsamt sagte uns, für einen gemeinnützigen Verein wären weniger Gebühren fällig geworden. Da stand unser Entschluss fest“, erinnert sich Chrissy.

Der Magdalenen-Gemeinde und „Laib und Seele“ sind sie treu geblieben. Dort treffen sie sich jeden Donnerstagmittag. Und dort erleben sie immer wieder bitterste Armut. „Es gibt Leute, vor allem ältere Frauen, die am Ende des Monats nicht einmal den einen Euro für die Essensausgabe zusammenbekommen“, sagt Herbert. Nachdem er vor kurzem ein Fernseh-Team durch Neukölln geführt und dafür 250 Euro Honorar bekommen hat, war ihm sofort klar, dass er das Geld nicht behalten will. „An diesem Tag musste niemand für die Lebensmittel zahlen, das war eine richtig gute Stimmung.“

Die Vereinsmitglieder treffen sich jeden zweiten Freitag um 15 Uhr im Bürgerzentrum Neukölln, Werbellinstraße 42. Spenden sind willkommen.

Zu erreichen ist der gemeinnützige Verein „Die Superarmen“ unter Telefon 0157/88 32 82 83 und per E-Mail: die.superarmen@gmail.com.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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