Das gab’s nicht nur im Westen
Hans Hohlbein schrieb einen Roman über die wilden Achtundsechziger in der DDR

Hans Hohlbein mit seinem Roman „Flüchtige Verstrickungen“. In ihm erinnert er sich an die 60er Jahre. | Foto:  Bernd Wähner
  • Hans Hohlbein mit seinem Roman „Flüchtige Verstrickungen“. In ihm erinnert er sich an die 60er Jahre.
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Hans Hohlbein trägt sein Leben lang ein Geheimnis mit sicher herum. Nur sein bester Freund wusste davon.

Dieses Geheimnis ist spannender Ausgangspunkt für seinen Roman „Flüchtige Verstrickungen“. In dem schildert er das Lebensgefühl der 68er Generation in der DDR. „Es findet sich viel Autobiographisches in diesem Buch. Aber es ist nicht alles genau so von mir erlebt worden“, gesteht der Autor. Hohlbein verarbeitet in dem Buch Ereignisse aus seiner Zeit als junger Erwachsener. „Außerdem will ich zeigen, dass es die 68er Generation nicht nur im Westen gab. Auch bei uns im Osten fanden die 68er in gewisser Weise statt.“

Hohlbein selbst kam 1960 als 18-Jähriger nach Potsdam. „Ich begann bei der Defa eine Lehre als Kameraassistent“, erzählt er. Auf der Suche nach einer Unterkunft war ihm ein Regisseur behilflich. In einer Villa unweit der damaligen Sektorengrenze bezog er ein Zimmer. Und nachdem am 13. August 1961 mit dem Bau der Mauer begonnen wurde, befand sich das Haus plötzlich im Grenzgebiet.

„Für mich war das ein Schock. Ich war kurz davor noch bei Verwandten im Urlaub in München“, erinnert er sich. „Dass wir nun nicht mehr in den Westen durften, wollte ich nicht akzeptieren.“ Deshalb hatte Hohlbein vor, mit einem Freund nach Westberlin abzuhauen. Beide planten die Flucht minuziös. Die Villa, in der der Lehrling wohnte, befand sich am grenznahen Bahnhof Griebnitzsee. Hohlbein und sein Kumpel beobachteten das Geschehen auf den Gleisanlagen. Ihre Idee: Nachts an die Gleise schleichen, auf einen Güterzug aufspringen und ab in Richtung Westberlin.

Am Tag der Flucht lief dann fast alles wie geschmiert. Doch für Hohlbein wurde ein Fehlgriff zum Verhängnis. Während seinem Freund die Flucht gelang, musste er den Zug wieder loslassen. Unbemerkt gelang es ihm, wieder zurück in seine Wohnung zu kommen. „Nur mein bester Freund wusste von der geplanten Flucht“, sagt er.

Dieser Fluchtversuch blieb jahrzehntelang ein Geheimnis. Wäre das bekannt geworden, hätte Hohlbein seine Karriere in der DDR-Film- und Fernsehbranche vergessen können. So begann er sich, mit den Gegebenheiten im Osten zu arrangieren. Das „Linden Café“ in Potsdam wurde fortan sein zweites Wohnzimmer. Dort trafen sich Regisseure, Schauspieler, Drehbuchautoren, Kameraleute, Musiker und allerhand Freigeister. Man hörte Jazz, diskutierte weltoffen und auch die „freie Liebe“ wurde leidenschaftlich praktiziert.

Hans Hohlbein arbeitete sieben Jahre lang als Kameraassistent bei der DEFA. Dann studierte er an der Filmhochschule Babelsberg. Er wechselte zum Fernsehen. 1973 zog er nach Prenzlauer Berg ins Bötzowviertel. Als Kameramann und Regisseur arbeitete er weiter für das DDR-Fernsehen. Längere Zeit war er zum Beispiel Regiekameramann beim Kinderfernsehen. Nach 1990 wurde er als Kameramann und Filmemacher Freiberufler. Außerdem schrieb er Drehbücher zum Beispiel für Dokumentationen. Und auch als Schriftsteller versuchte er sich – mit den Titeln „Anekdoten aus der vergangenen Republik“ und „Vom Hinterhof zum Gartenhaus“.

Der neue Roman „Flüchtige Verstrickungen“ von Hans Hohlbein mit vielen Bildern aus der Zeit ist im Buchhandel für 16,99 Euro erhältlich (ISBN 978-3-7467-19122).

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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