Start von fünf Berliner Standorten
Der Verein „Radeln ohne Alter“ bietet Senioren kostenlose Rikschafahrten an
„Es ist eine herrliche Abwechslung, und noch dazu für umme“, schwärmt Jutta Volgmann. „Umme“, nämlich „umsonst und draußen“, das sind die Rikschafahrten durch den Schöneberger Kiez, die die 83-jährige gebürtige Berlinerin regelmäßig genießt – zusammen mit ehrenamtlichen Fahrern des Vereins „Radeln ohne Alter“.
Heute ist es Erik Eilers aus Kreuzberg, der die gehbehinderte Rentnerin zur Radtour direkt vor der Tür zu ihrem Seniorenheim abholt. Der 32-Jährige lebt seit zwölf Jahren in Berlin und ist begeisterter Fahrradfahrer. „Ich bin ausgebildeter Krankenpfleger und studiere seit sechs Monaten Medizincontrolling und Management. Daher weiß ich sehr gut, was Mobilitätseinschränkung bedeutet.“ Zudem motiviere ihn der Austausch mit den älteren Passagieren, so zum Beispiel die Geschichten, die Jutta Volgmann über Berlin zu erzählen weiß. Es ist also eine klassische Win-Win-Situation, auf die der Verein "Radeln ohne Alter" baut.
Die Initiative startete 2012 in Dänemark unter dem Namen „Cycling uden Alder“ und hat ihren Siegeszug in mittlerweile 40 Ländern fortgesetzt. In Deutschland gibt es „Radeln ohne Alter“ bereits in rund 20 Städten. Allein in Berlin hat der Verein fünf Standorte und etwa 40 aktive Mitglieder. Die allererste Tour in der Hauptstadt startete vor einigen Jahren just vom Schöneberger Seniorenheim – und Jutta Volgmann war gleich davon begeistert: „Anfangs musste ich eine Hemmschwelle überwinden, um aus meinem Schneckenhaus zu kommen. Dann aber hat es riesigen Spaß gemacht.“
Eine gewisse Beweglichkeit beim Umsteigen vom Rollstuhl in die Rikscha ist Voraussetzung, und natürlich der Mut, neue Leute kennenzulernen und sich vertrauensvoll in die Hände der Fahrer zu begeben. Die Piloten wiederum bekommen zunächst ein Fahr-training und verpflichten sich mit dem Vereinsbeitritt in einer Partnerschaftsvereinbarung zu fünf Leitprinzipien: Großzügigkeit, langsames Radeln, Geschichten erzählen, Beziehungen herstellen und das Prinzip „ohne Alter“.
„Das bedeutet, dass das Leben unabhängig vom Alter aufregend, spaßig und schön sein kann“, erklärt Erik Eilers. Entsprechend fordert auch ein Slogan des Vereins „das Recht auf Wind im Haar in jedem Lebensalter“. In der praktischen Umsetzung dieser Möglichkeit bietet „Radeln ohne Alter“ unterschiedliche Formen der Mitgliedschaft und Kooperation an. Einzelpersonen können beitragsfrei als Piloten in den Standorten vorhandene Rikschas nutzen oder auch selbst einen eigenen Standort gründen und Rikschas erwerben. Das können auch am Konzept interessierte Seniorenheime, die den Piloten dann die Rikschas für Fahrten mit den Bewohnern zur Verfügung stellen. Eine ähnliche Möglichkeit der Kooperation durch Partnerprogramme ist für städtische Organisationen, Gemeinden und auch Privatunternehmen vorgesehen.
Lächelnde Gesichter und wohlwollendes Interesse
Und dann kann es auch schon losgehen, die Sonne lacht. Jutta Volgmann und Erik Eilers freuen sich auf ihre bevorstehende Rikscha-Tour, wobei Route, Ziel und Dauer des Ausflugs je nach Wünschen und Wetterlage vorher gemeinsam festgelegt werden.
Beiden gemeinsam ist dabei nicht nur die Freude „am Wind in den Haaren“, auch die Reaktionen der Leute auf den Straßen stimmen sie positiv. „Überall, wo wir hinkommen, erregen wir natürlich einiges Aufsehen. Aber anders als zuweilen die Touristenrikschas ernten wir durchweg lächelnde Gesichter und wohlwollendes Interesse“, sagt Jutta Volgmann. Sie lacht und winkt zum Abschied, während Erik Eilers mit Schwung in die Pedalen tritt.
Kontakt zu "Radeln ohne Alter e. V.": erik@radelnohnealter.de. Mehr Informationen auf https://radelnohnealter.de/berlin/.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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