"Wir haben Gäste auf dem Gehweg versorgt"
Tagesstätten-Leiterin fordert mehr Stellen für Sozialarbeiter

Simona Barack spricht mit einem Gast. Seit einem Jahr berät und versorgt die Tagesstätte Menschen in Not auch auf dem Gehweg. | Foto: Tagesstätte
  • Simona Barack spricht mit einem Gast. Seit einem Jahr berät und versorgt die Tagesstätte Menschen in Not auch auf dem Gehweg.
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Die Tagesstätte für Obdachlose an der Dunckerstraße fürchtet wegen Corona finanzielle Kürzungen. Leiterin Simona Barack appelliert deshalb an Bezirk und Senat, die Sozialarbeiterstellen aufzustocken.

13 Tagesstätten für Obdachlose und Wohnungslosen gibt es in der Stadt. Dort finden Frauen, Männer und Familien tagsüber einen sicheren Ort, können ihre Wäsche waschen, essen, duschen und sich beraten lassen. Auch jetzt in der Corona-Krise und unabhängig von der Berliner Kältehilfe, die jeden März endet. Doch die Tagesstätten sind chronisch unterfinanziert und fallen bei öffentlichen Förderungen oft hinten runter. Hinzu kommt, dass die öffentlichen Haushalte wegen der Pandemie stark belastet sind und im kommenden Doppelhaushalt der Bezirke die nächsten Kürzungen drohen.

Dabei steigt der Bedarf an solchen Tagesstätten stetig an. Das beobachtet auch Simona Barack, Leiterin der Tagesstätte des Sozialprojekts Prenzlauer Berg an der Ecke Duncker- und Zelterstraße. „Wir haben immer häufiger Gäste, die früher nie in eine Wohnungslosentagesstätte gekommen wären. Dazu gehören Menschen, die in der Pandemie ihre Wohnung oder ihren Arbeitsplatz verloren haben und jetzt Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.“ In den vergangenen Monaten sei viel Geld in temporäre und dringend benötigte Projekte zum Schutz von Menschen in Not geflossen, sagt Barack weiter. „Das war wichtig und richtig. Aber wir bitten die Bezirke nun darum, in der Hilfe für Menschen auf der Straße nicht nachzulassen und die wichtige Arbeit der Tagesstätten angemessen zu fördern.“

Täglich 70 Essen und zehn Beratungen

So hat auch die Tagesstätte in Prenzlauer Berg mit mangelnder Finanzierung zu kämpfen, weil der Bezirk Pankow die Gelder im Doppelhaushalt 2020/2021 nicht aufgestockt habe, so Simona Barack. Die Folge: Wichtige Angebote wie das Frauenfrühstück, die Öffnungszeiten und gemeinsame Ausflüge mussten immer wieder zurückgefahren werden. „Obwohl wir ganzjährig auch Menschen erreichen, die Beratungsstellen und Notübernachtungen nicht nutzen.“

Momentan teilt die Tagesstätte in Prenzlauer Berg täglich rund 70 Essen aus und berät im Schnitt zehn Personen, damit sie einen Weg aus der Wohnungslosigkeit, der Schuldenfalle oder der Perspektivlosigkeit finden. Und das alles mit nur 1,65 Sozialarbeiterstellen, sagt Simona Barack. Das sind also nicht mal zwei Vollzeitstellen. Im Gegenzug wächst die Zahl der Gäste in der Tagesstätte  kontinuierlich. Wurden die Angebote 2016 rund 20 000 Mal in Anspruch genommen, waren es 2019 fast 34 000 Nutzungen, hat die Leiterin zusammengezählt. Jetzt, in der Pandemie, dürfen sich maximal zwölf Personen in der Tagesstätte aufhalten. „Unser Team hat aber viele Menschen auf dem Gehweg versorgt.“ Im Fazit wurden trotz der widrigen Umstände die Angebote im Corona-Jahr 2020 immerhin noch 21 000 Mal genutzt.

Angemessene und dauerhafte
Finanzierung gefordert

Um der wachsende Zahl an Tagesgästen wenigstens ansatzweise gerecht zu werden, appelliert Simona Barack an die Bezirkspolitiker, sich bei den Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2022/2023 für mindestens zwei volle Sozialarbeiterstellen stark zu machen. „Dann können wir die Öffnungszeiten von jetzt vier zurück auf sechs Stunden am Tag verlängern, das so wichtige Frauenfrühstück wieder anbieten und, sobald die Pandemie es erlaubt, auch erneut ein Programm zur kulturellen Teilhabe für die Gäste organisieren.“ Einem Bezirk wie Pankow mit vielen einkommensstarken Haushalten sollte die Finanzierung von zwei Sozialarbeiterstellen doch möglich sein, so Barack. „Wir fordern eine angemessene und dauerhafte Finanzierung, damit wir uns auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren können. Denn damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur sozialen Stabilität in der ganzen Gesellschaft.“

Das Sozialprojekt Prenzlauer Berg ist eine Kontakt- und Beratungsstelle für Berliner in schwierigen Lebenssituationen sowie für Obdachlose, Wohnungslose und Langzeitarbeitslose. Wer die Arbeit des Sozialprojekts regelmäßig mit Spenden unterstützen will, kann eine Patenschaft übernehmen.  Bekanntester "ZelterPate" ist der Schauspieler Axel Prahl.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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