Ohne Auto durch den Alltag
Zwei Schöneberger "Umparker" ziehen nach vier Wochen Fahrpause Bilanz

Vier Tage noch, dann könnte Daniel Carasusán wieder in sein Auto steigen - und zu Ikea fahren.  | Foto: Ulrike Kiefert
2Bilder
  • Vier Tage noch, dann könnte Daniel Carasusán wieder in sein Auto steigen - und zu Ikea fahren.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Vier Wochen ließen neun Schöneberger ihr Auto stehen – freiwillig. Was ihnen die Erfahrung, ohne den Wagen auszukommen, brachte, erzählten zwei von ihnen nun der Berliner Woche.

Den Zündschlüssel hat Daniel Carasusán schon lange nicht mehr umgedreht. Ganze vier Wochen, um genau zu sein. Am 5. September, punkt elf Uhr hat er ihn abgegeben und seinen Mercedes seitdem nicht mehr bewegt. Sechs Zahlen beweisen das. 166 878 Kilometer zeigt der Tacho an – so wie am 5. September abfotografiert. Der Schöneberger hat also nicht geschummelt.

Leicht ist das Daniel Carasusán nicht gefallen, so ganze 29 Tage ohne Auto. Der 39-Jährige braucht den Wagen zwar nicht oft. Zur Arbeit fährt der User-Experience-Designer mit dem Rad. Doch hin und wieder hätte er ihn schon gebraucht. „Ich wollte bei Ikea ein schweres Rollo kaufen“, erzählt Carasusán. Weil er kein Lastenrad bekam, musste er den Kauf auf später verschieben. Für den Besuch seiner Eltern im brandenburgischen Königs Wusterhausen hat er sich einen CarSharing-Wagen gemietet. „Ansonsten bin ich viel E-Roller gefahren oder mit den Öffentlichen.“


Anreiz, Alternativen auszuprobieren

Die Gutscheine und BVG-Tickets bekam er vom Bezirksamt geschenkt. Das hatte wie berichtet in Schöneberg-Nord zur Umparkerkampagne im Rahmen des Projektes „Kiez erFahren“ aufgerufen. Vom 5. September bis zum 3. Oktober konnten Freiwillige testen, wie sicher und komfortabel man auch ohne Pkw unterwegs sein kann, wie man nebenher die Umwelt schont und Kosten spart.

„Ich fand das Projekt super, darum habe ich mitgemacht“, sagt Daniel Carasusán. Zu erproben, ob man auch ohne Auto durch den Alltag kommt und welche rollenden Alternativen es gibt, das fand der Schöneberger spannend. „Außerdem wollte ich testen, wie wirtschaftlich das Ganze für mich ist.“ Und? „Naja, ich würde schon dauerhaft aufs Auto verzichten“, zieht Carasusán für sich Bilanz. „Wenn der Staat mehr dafür tun würde. Viele Radwege sind eine Katastrophe, auf der Straße herrscht Krieg, und die E-Scooter sind für kürzere Strecken als Alternative zu teuer.“ Dagegen koste ihn das Auto deutlich weniger, rund 220 Euro für Steuer und Benzin im Jahr, schätzt Carasusán. Trotzdem ist er sich sicher: Gibt sein altes Auto den Geist auf, kauft er sich kein Neues.

„Jeder muss bei sich selbst anfangen“

„Umparkerin“ ist auch Christine Haas. Die Fotografin und Grafikdesignerin beendet das persönliche Experiment mit gemischten Gefühlen. Schnell mal ins Auto springen und zu ihrer Mutter fahren, das habe sie schon vermisst. Aber: „Es geht natürlich auch ohne Auto, selbst wenn das CarSharing manchmal kostspielig ist.“ Denn das Pflegeheim ihrer Mutter liegt in Lankwitz und damit außerhalb des Gutscheinangebots fürs CarSharing. An der Umparkerinitiative würde Christine Haas dennoch ein zweites Mal teilnehmen. „Weniger Autos in der Stadt finde ich gut, da muss aber jeder bei sich selbst anfangen.“

16 Schöneberger hatten sich insgesamt für die Umparkerkampagne angemeldet. „Neun von ihnen haben dann wirklich die vier Wochen ohne privaten Pkw verlebt“, sagt Stadträtin Christiane Heiß (Grüne), zuständig für Bürgerdienste, Ordnungsamt, Straßen- und Grünflächenamt. „Das fand ich großartig.“ In der Summe sei die Resonanz der Umparker durchweg positiv gewesen. „Auch wenn sie umdenken und andere Mobilitäten erproben mussten, was sie aber gut genutzt haben.“ Für Mai 2021 kündigt die Stadträtin die nächste Umparkerkampagne in Schöneberg-Nord an. Dann können bis zu 30 Haushalte mitmachen.

Vier Tage noch, dann könnte Daniel Carasusán wieder in sein Auto steigen - und zu Ikea fahren.  | Foto: Ulrike Kiefert
Daniel Carasusán gibt bei Projektleiterin Regine Wosnitza den Zündschlüssel ab.  | Foto: Bezirksamt
Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

PolitikAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 39× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 117× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 551× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.