Plötzlich Lehrer
Am Schloss Charlottenburg hat sich das Projekt "Schüler führen Schüler" etabliert
Schüler führen durch das Schloss Charlottenburg und erzählen von Friedrich dem Großen – Schüler oder Familien kleben an ihren Lippen. Ein Kooperationsprojekt, das für alle Beteiligten große Vorteile hat, macht es möglich.
Die räumliche Situation, die Konzeption der Schule, der Auftrag der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, mittenmang Christiane Schrübbers – alles das schrie förmlich nach einer Zusammenarbeit. Wand an Wand liegt die „Schule am Schloss“, eine Integrative Sekundarschule, mit dem Museum Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort arbeitete Museumspädagogin Christiane Schrübbers von 2012 bis 2015 in der Villa Oppenheim, aus kleineren Gemeinschaftsprojekten mit der Schule erwuchs die Idee, Schüler zu Guides auszubilden und ihresgleichen durch das Schloss zu geleiten. Später sogar Familien. Das war ganz im Interesse der Bildungseinrichtung.
Schüler übernehmen Verantwortung
„An der Schule gibt es den Profilzweig Gesellschaftswissenschaften und ein Ziel für die Schüler lautet, Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Schrübbers. Die Stiftung musste auch nicht lange überredet werden mitzumachen, schließlich passt das Projekt zum eigenen, kulturellen Bildungsauftrag. „Wir dürfen kostenlos trainieren und die zu führenden Schulklassen bezahlen zwei anstatt der regulären sechs Euro Eintritt pro Nase“, sagt Schrübbers.
Sprechtraining und Geschichte pauken
Sie pickt sich zu Schuljahresbeginn sechs Schüler der 9. Jahrgangsstufe heraus und macht sie zu Guides. In der ersten Phase werden einmal pro Woche die Präsentation geübt, Sprechtrainings durchgeführt und der geschichtliche Stoff gepaukt. Anschließend treffen sich Dozentin und Nachwuchs-Guides im Wochenturnus jeweils für drei Stunden im Schloss, um Gelerntes in der Praxis anzuwenden und die Führungen vorzubereiten. „Ich dringe darauf, dass die Kinder frei sprechen“, sagt Schrübbers. Sind die Kinder so weit, leiten sie 5. Klassen durch den Neuen Flügel des Schlosses mit der Erzählung über Friedrich den Großen und einem anschließenden künstlerischen Workshop in der Schule, in dem die Teilnehmer Rokoko-Täfelchen herstellen.
Den Praxiseinsätzen folgt eine Auswertung und in der 10. Klasse dürfen dann drei der sechs Guides Familien Wissenswertes über den früheren Hausherren vermitteln. „Wie er gelebt hat, welcher Raum für was genutzt wurde, welche Bedeutung die Dekorationen oder die Zeit des Rokokos an sich hatten.“
Schon im sechsten oder siebten Durchgang laufen die Führungen für die Fünftklässler, Familien sind gerade im dritten Jahr zu Gast. „Einmal war unerwartet schönes Wetter, da war der Andrang nicht so groß. Aber ansonsten sind die Führungen gut besucht.“ Von den Eltern gebe es immer dickes Lob für das Engagement der Guides, sagt Schrübbers und nennt eine weitere positive Begleiterscheinung von „Schüler führen Schüler“: „Die Kinder lassen sich lieber von ihresgleichen für Geschichte begeistern.“ Populär und anerkannt sei es geworden, das Projekt, deshalb werde es auch die nächsten Jahre weiterlaufen, sagt die Rentnerin, die als externe Honorarkraft das Guide-Training leitet. „Es macht den Kindern ungeheuer viel Spaß, plötzlich Lehrer zu sein und auch auf unerwartete Fragen gut reagieren zu können."
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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