Braune in bürgerlichen Kiezen: "Register" verzeichnet einen Anstieg rechtsradikaler Übergriffe
Faustschläge aus rechter Gesinnung. Angriffe auf Politikerbüros. Rassistische Beleidigungen. All das war 2014 in der City West keine Seltenheit. Was im Einzelnen geschah, beschreibt eine neue Analyse des "Registers" - einer Projektgruppe, die von der Antidiskriminierungsstelle des Berliner Senat bezahlt und in Charlottenburg-Wilmersdorf von den "Falken" getragen wird.
Vom Hitlergruß über aufgeschmierte Parolen oder Aufkleber bis zur Körperverletzung reicht die Spanne der verzeichneten Ereignisse. Als Quelle dienen Zeitungsmeldungen, Polizeiberichte, Schilderungen in sozialen Medien, aber auch direkte Hinweise von besorgten Bürgern. "Wir nehmen jeden ernst, der uns einen Fall von Diskriminierung berichtet", versichert "Register"-Mitarbeiterin Lea Lölhöffel. Heraus kam ein Protokoll von 105 Vorfällen in 2014, wobei sich ganz konkrete Schwerpunkte herauslesen lassen.
So verzeichnete man die meisten Ereignisse in den Ortsteilen Charlottenburg und Wilmersdorf, was mit Großveranstaltungen und der verkehrsgünstigen Lage zusammenhängt. Besorgniserregend scheint Lölhöffel zum einen die Verfünffachung von rechtsextremen Angriffen seit 2008. Zum anderen die Tatsache, dass sich eine feste Veranstaltungskultur etabliert. Sie reicht von antiisraelischen Demonstrationen auf dem Kurfürstendamm bis hin zu Stammtischen in unscheinbaren Wirtshäusern.
Hier halten nach Erkenntnissen des "Registers" verschiedene Gruppen von Verschwörungstheoretikern und "Reichsideologen" Einkehr, sprechen zum Beispiel über die systematische Verseuchung der Menschheit durch giftige Flugzeug-Kondensstreifen oder einen Fortbestand des Dritten Reiches in einer Geheimbasis unter dem Südpol. Anhänger dieser Idee sitzen beim sogenannten "Neuschwabenland-Treffen" im Zweiwochenrhythmus beisammen und fantasieren über ein Weiterleben von Adolf Hitler und seiner Schergen im ewigen Eis. "Das sind Gruppen, die einen treuen Freundeskreis haben und durchaus gehört werden", warnt Lölhöffel vor dem Unterschätzen solcher Ideologien.
Doch es gebe in Charlottenburg-Wilmersdorf auch positive Entwicklungen, etwa die Entkräftung von NPD-Hetze gegen Flüchtlinge durch die Solidarität der Bürger. Gefährlich scheint dem "Register" wiederum die neue Taktik der Rechten, einen Brückenschlag in die Mitte der Gesellschaft zu wagen. Zu den verdächtigen Einrichtungen zählt man zum Beispiel die "Bibliothek des Konservatismus" in der Fasanenstraße, wo Werke von Helmut Kohl und Peter Scholl-Latour neben Manifesten bekannter Holocaust-Leugner zu finden seien. Nach Einspruch der BVV-CDU-Fraktion weist Lölhöffel daraufhin, dass nicht etwa der Altkanzler kritisch zu sehen ist, sondern das Nebeneinander von seriöser und bedenklicher Literatur.
Anerkennung findet ihre Untersuchung beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Wuttig, der von einer "nicht zufriedenstellenden Situation" spricht. Und sein Parteifreund, Bürgermeister Reinhard Naumann, will dem alarmierenden Befund bald Taten folgen lassen. Das neue Programm "Bündnis für Demokratie", für das Charlottenburg-Wilmersdorf vom Bund den Zuschlag erhielt, soll sich, wenn es nach ihm geht, ganz gezielt mit der Zurückschlagung des Rechtsextremismus befassen. Naumann will dafür eintreten, dass der Bezirk bei einer Demokratiekonferenz seine Kräfte gegen die Braunen zusammenzieht.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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