Immer dicht am Kunden
Buchhandlung Marga Schoeller feiert 90-jähriges Jubiläum

Ruth Klinkenberg heuerte 1972 in Marga Schoellers Bücherstube an. Seit 2017 ist sie alleinige Geschäftsführerin.  | Foto: Matthias Vogel
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Die Buchhandlung Marga Schoeller in der Knesebeckstraße 33 feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Firmenjubiläum. Sie hat bewegte Zeiten hinter und nach Meinung der Geschäftsführerin Ruth Klinkenberg durchaus erfolgreiche vor sich.

Die Verlagsbuchhändlerin Marga Schoeller übernahm am 1. November 1929 mit 24 Jahren die Filiale der Buchhandlung Buchholz am Kurfürstendamm 30. Bald trafen sich dort Schriftsteller und Schauspieler, Professoren und Studenten: fast die gesamte „Anti-Nazi-Intelligenz“ der Stadt, wie Marga Schoeller es selbst formuliert hat. Die Bücher, die sie verkaufen wollte, waren bald nicht mehr zu bekommen, wurden verbrannt oder verboten. Doch für einige Kunden gab es immer wieder verbotene Bücher aus einem geheimen Keller. Nach dem Krieg war sie die erste Buchhändlerin in Berlin, die lizensiert wurde. Bücher waren rar und wurden von ihr teilweise im Tauschgeschäft von im Ausland lebenden Freunden erworben. Schon früh fand ihre anglophile Neigung ihren Niederschlag in der Gründung einer englischsprachigen Abteilung. „Sie ist für uns noch immer ein wichtiges Standbein“, sagt Klinkenberg.

Die Marga Schoeller Bücherstube wurde zu einem Zentrum des geistigen Berlins. In einem kleinen Gästebuch aus den Jahren 1930 bis 1965, das heute wie ein Schatz gehütet wird, haben sich zahlreiche Kunden, Autoren und Schauspieler eingetragen: Ingeborg Bachmann, Max Frisch und Erich Kästner beispielsweise. Auch Arnold Zweig, Bertolt Brecht und andere bekannte Personen aus Ostberlin gehörten vor dem Bau der Mauer zu Schoellers Kunden. Es lässt sich heute nicht mehr feststellen, wer ihr wann den Spitznamen „Löwe“ gegeben hat, mit dem sie ihre engsten Freunde anredeten. Geblieben ist aus dieser Zeit jedenfalls das Firmensignet der Marga Schoeller Bücherstube: Ein auf einem Sessel sitzende, lesende Löwe, den der Klee- und Kandinsky-Schüler Hans Thiemann gezeichnet hat.

Mit dem Buchangebot und der Stammkundschaft wuchs auch die kleine Bücherstube. Gleich nebenan kam ein weiterer Laden hinzu, später dann die Räume im ersten Stock. Wie viele Buchhändler verstand sich Marga Schoeller eher als Traditionalistin, was sie nicht daran hinderte, auch eine neue Generation von Kunden mit anderen Vorstellungen aufgeschlossen bei sich zu begrüßen – dies vor allem während der Studentenbewegung, als sich das Sortiment der Buchhandlung auf die kritische Jugend einstellte. Rudi Dutschke, Fritz Teufel und fast die gesamte Prominenz der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO) zählten nun auch zu den Stammkunden. „Es kam in dieser Zeit vor, dass sich ein Polizist vor dem Laden postierte und die Titel der im Schaufenster ausgestellten Bücher notierte“, berichtet Klinkenberg aus den Annalen. Marga Schoellers Maxime – ein intensiver Kontakt zu ihren Kunden – spiegelte sich in einer wachsenden Zahl von Mitarbeitern mit zum Teil eigenwilligen Charakteren wider. Zu ihnen zählte auch einer der einflussreichsten, späteren Mitarbeiter der Berlinale, Manfred Salzgeber.

Als die Buchhandlung 1974 vom Kurfürstendamm in die Knesebeckstraße umziehen musste, gab es eine spürbare, aber vergebliche Empörung bei den Kunden und in der Presse. Immerhin: Der Geist der „Löwin“ und das Gros der Stammkundschaft wanderten mit, Schoellers Bücherstube blieb populär. Allerdings wuchs nach dem Umzug in ihr der Wunsch, die Leitung des Ladens in andere Hände zu geben. Die Firma wurde in eine GmbH überführt und von den Mitarbeitern als Kollektiv übernommen, dem auch ihr Sohn Thomas Rodig angehörte. Vollzogen wurde diese Umwandlung allerdings erst nach ihrem Tod. Marga Schoeller starb 1978. Das Kollektiv existierte bis etwa 1998. „Seit 2017 bin ich alleinige Geschäftsführerin, bis dahin hatten Thomas Rodig und ich das zusammen gemacht“, sagt Klinkenberg, die 1972 in die Firma eintrat und seit 1979 mit an ihrer Spitze stand. Im Sinne der Zukunftssicherung übernahm im September 2017 Florian Schoeller, ein Unternehmer aus der Verwandtschaft Marga Schoellers, alle Anteile der GmbH von den bisherigen Gesellschaftern. Damit befindet sich die Traditionsbuchhandlung in der dritten Generation in Familienbesitz.

Ihre Mitarbeiter, allen voran Ruth Klinkenberg, führten und führen das Geschäft im Sinne seiner Gründerin weiter. Noch immer ist der Kundenkontakt sehr intensiv und das Buch steht im Mittelpunkt. „Bei den großen Buchhandel-Ketten gibt es Tausende kleine Geschenkartikel. Wir sind davon überzeugt, dass das Buch wichtig genug ist, um sich alleine darauf zu beziehen“, sagt Klinkenberg. Genau das schätze die Stammkundschaft, die immerhin 50 bis 60 Prozent des Umsatzes ausmache. „Auch die jüngeren Generationen schätzen die persönliche Beratung und ziehen uns dem Online-Handel vor. Deshalb blicke ich positiv in die Zukunft“, so die Geschäftsführerin.

Im November steigt die große Geburtstagsparty, „aber bis dahin lassen wir uns noch einiges einfallen für unsere Kunden. Wir wollen zusammen mit ihnen das ganze Jahr über das Jubiläum feiern.“

Ruth Klinkenberg heuerte 1972 in Marga Schoellers Bücherstube an. Seit 2017 ist sie alleinige Geschäftsführerin.  | Foto: Matthias Vogel
Die alte Postkarte zeigt die Marga Schoeller Bücherstube an ihrem ursprünglichen Ort am Kurfürstendamm. | Foto: Archiv Marga Schoeller Bücherstube
Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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