So alt wie der Kaiserdamm: Helmut Döring feiert das 110-jährige Bestehen seines Ladens
Charlottenburg. Was wäre Berlin ohne lebendige Einkaufsstraßen und attraktive Geschäfte? Doch der Wandel im Handel hinterlässt Spuren. Damit der lokale Einzelhandel eine Zukunft hat, engagieren sich zahlreiche Geschäftsleute. Im Rahmen der Aktion „Das geht uns alle an!“ stellt die Berliner Woche ein Beispiel vor.
Ja, es geschieht immer noch. Es begibt sich, dass die Tür aufschwingt und ein Kunde hereinkommt, der etwas anderes anzubieten hat als Geld. „Eisenwaren werden zum Schleifen angenommen“, besagt das Schild am Tresen. Und der ist so alt ist wie der Laden selbst. 110 Jahre. Eisen Döring am Kaiserdamm, das ist ein Geschäft, gestählt durch Geschichte.
Dieser Laden also ist Helmut Dörings Leben. So wie er für seinen Vater Bruno war. Und für Großvater Otto, den wackeren Gründer. So wie er es für Helmuts Sohn Frank sein könnte, sofern das Geschäftsmodel auch künftig trägt. In Kriegen und Krisen und Aufschwungjahren waren die Dörings dank ihres Rundum-sorglos-Sortiments Retter in der alltäglichen Not. Sie lieferten Hämmer und Nägel für eine Käuferschaft, die aus dem ganzen Stadtgebiet kam. Und kommt. Seit Kaisers Zeiten gilt man als Grundversorger mit allem, was praktisch ist. Expertise in einem eisenharten Business. Lieferant der Heimwerker seit 1906.
Wenn man Eisen Döring einem jungen, zugezogenen Berliner erklären müsste, könnte man sagen: Das ist ein Baumarkt im Spätkauf-Format. Und tatsächlich: Der Laden öffnet sich im Alter von 110 Jahren einer Zielgruppe, die vielleicht gar nicht mehr weiß, was es mit Eisenwarenläden für eine Bewandtnis hat. In der Interessengemeinschaft Kaiserdamm kamen Helmut Döring, der lange Zeit erster Vorsitzender war, und seinem Nachfolger Wolfgang Jarnot eine Idee. Was wäre, wenn Touristenbusse an diesem urigen Shop halten könnten? „Sie fahren hier sowieso vorbei unterwegs zum Olympia Stadion“, hat der Kaufmann schon festgestellt.
Jedenfalls traute man sich, die Tourismus-Werber von Visit Berlin auf die Einmaligkeit des Ladens hinzuweisen. Er entstand sozusagen unter Aufsicht des Kaisers, so wie die gesamte Bebauung an der mächtigen Straße. Nur gehörte er bis 1962 einem anderen Eisenwaren-Händler. Doch Dörings Geschäft gibt es ebenfalls seit 1906. Allerdings begann die Geschichte des Familienbetriebs an früheren Standorten in Neukölln. Dort schickte sich auch der junge Helmut an, das Werk seines Großvaters und Vaters in die Zukunft zu lenken. „Mit elf Jahren stand ich das erste Mal am Tresen“, erinnert sich der Dauerbrenner. Nach der Übernahme des Ladens am Kaiserdamm erfüllte sich sein Schicksal. Und heute? Da führt er mit 70 noch immer selbst Buch, während Sohn Frank als Mitinhaber die Bestellung übernimmt.
„Unsere Kinder sind im Laden aufgewachsen“, brummt Döring. Solch einen Laden zu führen, das ist eher Lebenszweck als Beruf. Eisen Döring kann vieles und hat fast alles. Man geht auch mit der Zeit. Nur nicht online. Das heißt, eine Homepage hat der Laden inzwischen schon. Nur die Shopfunktion ist nach einigen Experimenten wieder verschwunden. „Wenn jemand eine 2000 Euro-Kaffeemaschine am Bildschirm kauft und bei Nichtgefallen zurückschickt, bleibt der Verkäufer darauf sitzen. Dieses Risiko möchten wir nicht mehr eingehen“, erklärt der Geschäftsmann. „Lieber etwas ruhiger verkaufen. Lieber etwas sicher.“ Lieber analog.
Aus Überzeugung setzen Helmut und Frank Döring wieder zu 100 Prozent auf persönlichen Kundenkontakt. Man erklärt und berät Aug in Aug am Jugenstil-Tresen. Der Kaiserdamm, diese gewaltige achtspurige Magistrale, 2,5 Kilometer lang und 80 Meter breit, verfügt nicht mehr über allzu viele Läden, in denen das wichtig ist. Etwa 25 von ihnen organisieren sich in der hiesigen Interessengemeinschaft, wobei dort auch ein Neuling Netzwerkarbeit leistet: Die BMW-Hauptniederlassung an der Ecke Messedamm.
Neben diesem Riesenbau nimmt sich das Lädchen auf der anderen Seite der Kaiserdammbrücke fast niedlich aus. Das ermuntert zur Plauderei. „Man hört hier ständig die Lebensgeschichte der Kunden“, freut sich Renate Döring, die Dame des Hauses, über familiäre Stimmung. Ja, bei Eisen Döring gibt es noch so etwas wie eine Stammkundschaft. Ob es an den persönlichen Weihnachtskarten für treue Käufer liege? Oder am Vorrat von seltenen, aber wichtigen Gebrauchsgütern?
Glühbirnen mit 150 Watt und mehr. Alt-Berliner Wohnungsschlüssel. Antike Ersatzteile. Döring hortet das eine im doppelstöckigen, eigenhändig sanierten Keller. Das andere fertigt man auf Wunsch neu an. Was sich in diesem Kunterbunt der Dinge am besten verkauft? Mausefallen. Messer. Glühbirnen. In dieser Hinsicht ist 2016 eben noch ein wenig 1906. tsc
Am Sonnabend, 1. Oktober, von 9 bis 18 Uhr und am Sonntag, 2. Oktober, von 10 bis 18 Uhr feiert Eisen Döring, Kaiserdamm 17, mit Freunden und Kunden bei Freibier, Sekt und Schlemmereien den 110. Geburtstag des Ladens. Kunden genießen in den Jubiläumstagen 15 Prozent Rabatt.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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