"Der Mix macht's"
Studie zur Wilmersdorfer Straße vorgestellt

Die Wilmersdorfer Straße ist beliebt, engagiert, integriert, hochfrequentiert und stetig im Wandel.  | Foto: Ulrike Kiefert
2Bilder
  • Die Wilmersdorfer Straße ist beliebt, engagiert, integriert, hochfrequentiert und stetig im Wandel.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Große Kaufhäuser verschwinden und auch kleine Geschäfte sind vom konkurrierenden Online-Handel bedroht. Die Einkaufsstraße von morgen wird eine andere sein als heute. Wie dieser Wandel gestaltet werden kann, zeigt eine aktuelle Studie zur Wilmersdorfer Straße.

Die Wilmersdorfer Straße ist eine Grande Dame des Bezirks. Zentral gelegen und historisch gewachsen, beliebt und engagiert ist sie nicht nur eine florierende Einkaufsstraße, sondern auch Treffpunkt, Flaniermeile, Wohnort und Nachbarschaftszentrum. Und doch wird die Wilmersdorfer Straße von morgen nicht mehr so aussehen wie heute. Eine Studie der TU Berlin hat sich das im Auftrag der bezirklichen Wirtschaftsförderung genauer angeschaut.

Gesundheit und Kultur
sind unterrepräsentiert

Welche Zukunftsperspektiven hat das Gewerbe? Welche Geschäfte und Institutionen sind überhaupt (noch) vor Ort? Wer sind die Ankermieter, wie hoch sind die Mietpreise, wer geht hier einkaufen, was sagen Kunden und Geschäftsleute? Um solche Fragen geht es in der Studie. Damit die Antworten möglichst präzise ausfallen, haben sich TU-Professor Lech Suwala, Fachgebietsleiter für Stadt- und Regionalökonomie, und sein Team auf die Erdgeschosszonen in dem knapp zwei Kilometer langen „Projektgebiet Wilmersdorfer Straße“ konzentriert. 285 Gewerbeeinheiten fasst die Studie hier zusammen. Davon seien knapp 60 Prozent inhabergeführt, vor allem nördlich und südlich der Wilmersdorfer Straße, wie Lech Suwala bei der Präsentation im „TUMO“ erläuterte. Die anderen 40 Prozent sind Filialen größerer Ketten, zu finden vor allem im Mittelteil von der Bismarckstraße bis zur Gervinusstraße. In der Summe dominieren in der Wilmersdorfer vor allem Drogerie- und Kosmetikwaren, Buchhandlungen, Klamottenläden, Elektroartikel- und Spielwarengeschäfte. Angebote aus Gesundheit, Soziales und Kultur sind zwischen Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie dagegen deutlich unterrepräsentiert. 18 der 285 Geschäfte und damit 6,3 Prozent stehen leer. Was im Vergleich zu anderen Berliner Einkaufsmeilen „nicht schlecht aussieht“, so Suwala. „Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft nicht genauer hinschauen müssen.“

Gentrifizierung des Gewerbes droht

Bei den Gewerbemieten gibt sich die Wilmersdorfer im Gegensatz zum Kurfürstendamm recht moderat. Die Qadratmeterpreise liegen zwischen 30 und 90 Euro und sind damit seit 2019 leicht gesunken. Dagegen sind die Bodenrichtwerte (Grundstücke) mit 5500 Euro pro Quadratmeter deutlich gestiegen. was kleinere, inhabergeführte Geschäfte zu verdrängen droht. Gewerbegentrifizierung kann laut Studie die Folge sein. Zu den Magnaten zählen unter anderem das Mientus-Kaufhaus, die „Wilma“ und Karstadt. Das Warenhaus soll nach 116 Jahren vor Ort allerdings 2024 geschlossen werden – was für die Einkaufsstraße ein herber Verlust wäre. Wie es am Karstadt-Standort weitergehen könnte, darüber sei man mit den Eigentümern im Gespräch, ließ Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne) bei der Veranstaltung wissen. Die Bezirksverordneten werden sich auf ihrer Dezember-Sitzung näher mit der Thematik beschäftigen.

Stärkerer Nutzungsmix und Ideenbörse

Die meisten Kunden der Wilmersdorfer kommen laut Studie aus der direkten Nachbarschaft. Viele suchten hier gezielt die Fachgeschäfte auf, andere kämen eher zum Schlendern oder seien Touristen, wusste Mitautorin Nina Pfeil aus Interviews zu berichten. Im Fazit sei die Wilmersdorfer Straße aber vor allem eine Kiezstraße, weshalb der Einzelhandel hier künftig nicht mehr so dominieren sollte. Eine stärkerer Nutzungsmix liegt als Antwort auf der Hand. Die Studie bringt hier einige Beispiele und schlägt Handlungsoptionen vor. Dazu gehören beispielsweise neue Wegeleitsysteme, eine einheitliche Beleuchtung, mehr Sitzbänke und mehr Grün, regelmäßige Wochenmärkte und Bespielung der Straße, neue Begegnungsorte, Kunst und Kultur als Zwischennutzung leerer Geschäfte. „Vieles ist ja schon da, auch in den Nebenstraßen“, sagte Lech Suwala. „Man muss es nur besser nutzen.“ Über Public-Private-People-Partnerships zum Beispiel, denn es brauche neue institutionelle Verbündete. Vielfältige Akteure auch aus der Zivilgesellschaft müssten langfristig eingebunden werden, um ein Netzwerk aufzubauen. Es brauche Kooperationen und hoheitliche Steuerung, wolle man die Wilmersdorfer nicht dem Wettbewerbsmarkt überlassen. Präventive Maßnahmen gegen den Leerstand könnten laut Studie eine digitale Plattform oder Ideenbörse sein. So könnten Nutzungen ermöglicht werden, die es auf dem freien Markt eher schwer haben wie Start-ups oder Pop-up-Stores, die sich ausprobieren wollen. Oder für Kultur oder Wohnen. Suwala: „Der Mix macht’s, aber lokal gut sortiert, so überlebt die Wilmersdorfer Straße.“

Verlängerung der Fußgängerzone bis 2023

An der Studie hat das TU-Team ein halbes Jahr gearbeitet. Sie ergänzt das Einzelhandels- und Entwicklungskonzept des Bezirksamtes, das private Engagement von Initiativen wie der AG Wilmersdorfer Straße und die Analyse des Standortmanagements im Auftrag der Wirtschaftsförderung. In einem nächsten Schritt ist geplant, die Fußgängerzone verlängern. „Wir sind inzwischen so weit, dass wir anfangen wollen“, informierte Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Die Teileinziehung des Abschnitts zwischen Schiller- und Bismarckstraße sei im Amtsblatt angekündigt, im Februar 2023 könnten die ersten Maßnahmen beginnen. Die Schillerstraße wird demnach beidseitig zur Wilmersdorfer Straße hin für den Verkehr geschlossen. Für Lieferfahrzeuge entsteht ein Wendehammer. „Wir staffeln die Bauarbeiten, sonst haben wir fünf Monate lang Chaos“, so der Stadtrat. Bis zum dritten Quartal 2023 will das Bezirksamt die verlängerte Fußgängerzone fertig haben.

Die Wilmersdorfer Straße ist beliebt, engagiert, integriert, hochfrequentiert und stetig im Wandel.  | Foto: Ulrike Kiefert
Die Schillerstraße wird zur Wilmersdorfer Straße für Autos gesperrt. | Foto: Kiefert/Bezirksamt
Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 264× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 334× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 327× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 178× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 380× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 705× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.