Alles kann, nichts muss
Einstimmen auf die Testphase für die Begegnungszone Bergmannstraße
Nach drei Stunden hatten sich die Reihen stark gelichtet. Befanden sich zu Beginn rund 100 Personen im Raum, blieben bis zum Schluss noch etwa 30. Es war auch irgendwann so ziemlich alles gesagt.
Was nicht bedeutet, dass beim Thema Begegnungszone Bergmannstraße alles geklärt wäre. Genauer gesagt zu deren Testphase, die im Oktober beginnt. Die Bürgerinformation am 27. September im Columbia-Theater ergab dazu einmal mehr ein unterschiedliches Meinungsbild.
Ein Jahr testen. Ab 8. Oktober wird das Testmobiliar aufgebaut, was gut zwei Wochen dauern wird. Einige Zutaten kommen auch erst im nächsten Jahr. Im Mittelpunkt stehen 19 sogenannte Aufenthaltsmodule und neun Querungsmodule. Bei ihnen handelt es sich vorwiegend um Parklets in verschiedener Form und Anordnung: Bänke mit und ohne Tische, Liegeplätze, auch barhockerartige Sitzgelegenheiten. Ebenfalls Teil der Testphase sind Veränderungen an Kreuzungen, neue Markierungen, 232 Fahrradabstellflächen. Dafür reduziert sich die Anzahl das Autoparkplätze von aktuell rund 100 auf nur noch 17. Parallel dazu tritt die Parkraumbewirtschaftung in Kraft.
Was erreicht werden soll. Das Testprojekt läuft ein Jahr. Die Bürger, nicht zuletzt die Anwohner, sollen dabei feststellen, was funktioniert und welche Nebenwirkungen es gibt. Alle Elemente der Testphase wären deshalb "reversibel", wurde mehrfach betont. Bis zu der, aber wahrscheinlich eher theoretischen Möglichkeit, das gesamte Vorhaben zu beenden. Das alles sei auch Ergebnis der Erfahrungen mit der Begegnungszone in der Schöneberger Maaßenstraße, wie Horst Wohlfarth von Alm von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz einräumte.
Was bisher geschah. Der Testphase war seit März ein Probelauf mit zwei Parklets an der Kreuzung Nostitzstraße vorausgegangen (wir berichteten). Sie werden jetzt abgebaut. Vor allem betroffene Anwohner konnten diesem Versuch wenig abgewinnen. Mehrere beklagten sich über nächtlichen Lärm wegen Menschenansammlungen an den Sitzgelegenheiten. Auch dass sich dort Drogenabhängige breit gemacht hätten, wurde negativ angemerkt. Dazu wäre die Pflege der Parklets vernachlässigt worden. Nicht einmal Graffitischutz habe es gegeben, wusste ein Redner. Weiterer Einwand: Die beiden Sitzmöbel seien viel zu massiv gewesen. Erklärung dafür: Sie waren eigentlich gar nicht für die Bergmannstraße, sondern die Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg gedacht. Ihre Nachfolger werden schmaler ausfallen.
Was zu beachten ist. Was als Begleitumstände der Probe-Parklets kritisiert wurde, gilt auch für die Testphase. Wie lassen sich etwa Ruhestörungen in der Nacht ausschließen? Eine befriedigende Antwort gibt es darauf bisher nicht. Das Ordnungsamt ist aktuell bis höchstens 22 Uhr im Einsatz. Die Polizei rückt wahrscheinlich nicht bei jedem etwas höherem Geräuschpegel in die Bergmannstraße aus. "Am Ende fühlt sich niemand verantwortlich", befürchtete ein Besucher.
Um den Unterhalt kümmere sich natürlich das Straßen- und Grünflächenamt, beteuerte Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). Aber auch die Bürger könnten selbst Hand anlegen, etwa durch eine Art Patenschaft. Apropos konkretes Engagement: Wie wäre es, wenn während der Testphase die vorgesehenen Module durch Ideen der Bürger ersetzt werden? Ein Vorschlag, der als Anmerkung auf den ausgestellten Planskizzen hinterlassen wurde.
Was ist, was soll werden? Den Straßenraum in der Bergmannstraße neu ordnen ist das Ziel der Begegnungszone. Schon durch die Module, die gleichzeitig Hindernisse für Autos bedeuten, soll eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer hergestellt werden. Als Höchstgeschwindigkeit gilt künftig 20 Stundenkilometer. Nebenwirkungen seien Erschwernisse für Gewerbetreibende und eine weitere Gentrifizierung, befürchten die Gegner. Auch Details sorgten für Bauchschmerzen. So böten die vorgesehenen Module wenig Schutz und würden sich als Klettergerüst für Kinder eignen, was entsprechende Gefahren berge. "Die Zeit der Testphase ist die Zeit einer umfassenden Bürgerbeteiligung", appellierte wiederum Hans-Jürgen Hubert von der Initiative "Leiser Bergmannkiez". Diese Chance sollte genutzt werden.
Der Terminplan. Nach der Auftaktveranstaltung soll es im Frühjahr eine weitere Versammlung geben, die erste Ergebnisse und Erfahrungen zum Thema hat, und am Ende im November 2019 natürlich ein Abschlusstreffen mit entsprechendem Resümee. Dazu gibt es eine Online-Begleitung über die Website www.mein.berlin.de. Ebenfalls im Angebote sind Spaziergänge entlang der Module im nächsten Jahr sowie ein Informationstag. Drei Termine mit Info-Ständen wird es bereits im Oktober geben.
Ein Verbesserungsvorschlag aus der Auftaktveranstaltung fand bereits Widerhall. Der Ampelübergang an der Kreuzung Nostitzstraße sollte eigentlich stillgelegt werden. Er sei aber wichtig vor allem für Schulkinder. Deshalb werde das jetzt noch einmal überlegt, versprach Horst Wohlfarth von Alm.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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