Mühevoll, aber oft erfolgreich
55 Bezirksverordnete ackern an der politischen Basis

Frank Bertermann ackert seit 26 Jahren an der politischen Basis. Seit zweieinhalb Jahren leitet er die Bezirksverordnetenversammlung Mitte.  | Foto:  Ulrike Kiefert
  • Frank Bertermann ackert seit 26 Jahren an der politischen Basis. Seit zweieinhalb Jahren leitet er die Bezirksverordnetenversammlung Mitte.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Die Berliner wählen am 26. September auch die Bezirksverordneten. Nicht direkt, sondern über die Listen der Parteien. Doch wie arbeiten die Hobbypolitiker eigentlich, und worüber dürfen sie entscheiden?

Alle vier Wochen tagt in Mitte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Zwölf BVVen gibt es in Berlin, eine in jedem Bezirk. Doch wer selbst keine Baustelle vor der Haustür zu beklagen hat, weiß meist wenig darüber. Was Frank Bertermann bedauert. „Ich würde mir wünschen, die Leute kämen öfter. Damit sie sehen, wie Demokratie an der politischen Basis funktioniert.“ Ohne die BVV würde vieles nämlich gar nicht laufen. Frank Bertermann ist seit 26 Jahren Bezirksverordneter. Seit zweieinhalb Jahren leitet der Grünen-Politiker als Bezirksverordnetenvorsteher das rot-grüne Bezirksparlament in Mitte. Dessen 55 Verordnete treffen sich in normalen Zeiten ein Mal im Monat immer donnerstags im BVV-Saal im Rathaus Mitte. Dort versuchen sie, Mittes Lokalpolitik zu gestalten.

Von der Sanierung von Schulen über neue Rad- und Fußwege, Tempo-30-Zonen vor Kitas, Straßenumbenennungen bis hin zum Wohnungsneubau und der Entwicklung großer Brachflächen: Kurzum, alles, was das Leben der Menschen in den Kiezen direkt betrifft, kommt in der BVV auf die Tagesordnung. „Es sind auch viele kleine Dinge, die wir aufgreifen“, sagt Bertermann. „Themen also, um die sich der Senat nicht kümmern kann, zum Beispiel, ob jede Schule einen Zebrastreifen hat.“ Anders als ein klassisches Parlament wie das Berliner Abgeordnetenhaus ist die BVV in ihrer Entscheidungsgewalt jedoch beschränkt. Weder Gesetze noch Verordnungen darf sie verabschieden. Was sie beschließt, landet im Bezirksamt, wo die Stadträte entscheiden, was umgesetzt wird. Meist hält sich das Amt aber an die Empfehlungen, auch weil es von der BVV kontrolliert wird. Auch den Bezirkshaushalt darf die BVV zwar beschließen, endgültig abgesegnet wird er aber vom Abgeordnetenhaus. Nur beim Bauen haben die Bezirksverordneten wirklich das letzte Wort, denn jeder Bebauungsplan muss über ihre Tische. Den Großteil ihrer Arbeit erledigen die Bezirksverordneten in den Fachausschüssen. Die gibt es für Stadtplanung und Bauen, Schule, Umwelt, Verkehr, Kultur und Soziales. Dort diskutieren sie auch die Vorlagen des Bezirksamtes wie den Schulentwicklungsplan oder den Fußverkehrsplan.

Kümmern um Anliegen aus Kiezen

Wie mühevoll, aber auch erfolgreich Lokalpolitik sein kann, zeigte sich in der Debatte über das ZK/U. Das Zentrum für Kunst und Urbanistik in Moabit wollte sein Haus erweitern, doch das Bezirksamt lehnte ab. „Dank uns haben die jetzt ihre Genehmigung. Das war ein großer Erfolg der BVV“, sagt Bertermann. „Immerhin hängen an dem Projekt drei Millionen Euro Fördermittel dran.“ Auch die Jugendverkehrsschule an der Bremer Straße ist so ein Beispiel. „Die wollte die damalige Stadträtin schließen. Das haben wir verhindert.“ Oder die „Vagabund“-Brauerei in den Osram-Höfen. Da gab es Ärger mit dem Bezirksamt wegen des Denkmalschutzes. Die Bezirksverordneten machten Druck und setzten einen Vor-Ort-Termin des Bauamtes durch, um die Hürden für den Brauereibetrieb aus dem Weg zu räumen.

Ein Problem der Lokalpolitik ist, dass nur wenige Themen flächendeckend relevant sind. Wenn in Wedding der Sprengelkiez verkehrsberuhigt werden soll oder in Gesundbrunnen ein Zebrastreifen fehlt, dann ist das den Moabitern ziemlich egal. Doch für die Weddinger und Gesundbrunner sind das ernsthafte Probleme, die es zu klären gilt. „Darum sind die Anliegen aus den Kiezen wichtig, dort müssen wir die Menschen abholen", erläutert Bertermann. Dieser Kleinteiligkeit verdanken die BVVen allerdings den Ruf, sich mit vielen belanglosen Themen zu beschäftigen, die nur ein paar Betroffene interessieren. Nur wenige Bürger kommen aus Interesse zu den öffentlichen Sitzungen. Das könnte auch daran liegen, dass keiner der Demokratie sechs Stunden lang begeistert zuschaut. Anderseits können die BVVen weniger interessant erscheinende Themen nicht einfach ignorieren, wenn es demokratisch zugehen soll. „Dass sich die BVV um kleinteilige Vorhaben kümmert, hat den Vorteil, dass diese Themen überhaupt in den politischen Fokus rücken“, sagt Frank Bertermann. Wenn Bürger einen Fußgängerüberweg in Wedding fordern, würde das sicherlich nicht bis ins Abgeordnetenhaus vordringen. „Ist er durch politisches Handeln der Bezirksverordneten dann durchgesetzt, ist das auch für die Moabiter interessant, die ähnliche Probleme haben.“

Ehrenamt mit
Aufwandsentschädigung

Die Bürger können sich an kommunalpolitischen Entscheidungen der Bezirksverordneten und des Bezirksamtes beteiligen. In den BVVen gibt es dafür die Einwohnerfragestunde gleich zu Beginn. „Dort kann jeder sein konkretes Anliegen vortragen“, so Bertermann. Im August kritisierten Anwohner zum Beispiel das Hin und Her um das Monbijoutheater, den „Ausverkauf“ des Westfälischen Viertels oder dass der kleinen Park am Gipsdreieck zur Partymeile wird.

Die Aufgaben als Vorsteher der BVV erledigt Frank Bertermann ausschließlich in seiner Freizeit. 20 bis 30 Stunden investiert er mindestens jede Woche in die politische Arbeit. Hinzu kommen öffentliche Termine. Dafür gibt es 2925 Euro Aufwandsentschädigung im Monat. Ehrenamtlich ackern an der politischen Basis auch die Bezirksverordneten. Sie bekommen 975 Euro plus 41 Euro Fahrgeld und extra Sitzungsgelder. „Als ich vor 26 Jahren als Bezirksverordneter anfing, bekamen wir so um die 300 Mark“, erinnert sich Bertermann. Heute erwarten die Kreisverbände der Parteien allerdings, dass ihre Bezirksverordneten „spenden“. Bei den Grünen muss die Hälfte der 975 Euro Grundentschädigung abgegeben werden, für Bertermann als BVV-Chef sind es 20 Prozent.

Nachwuchsprobleme hat die Bezirkspolitik trotz zeitlicher Belastung anscheinend nicht. So stehen in Mitte beispielsweise 50 Kandidaten auf der Liste der Grünen für die BVV-Wahl am 26. September. Bei der SPD sind es 63, bei der CDU 24, bei den Linken ebenfalls 24 und bei der FDP 13 Kandidaten.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 214× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 981× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 642× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.131× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.019× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.