Brutaler Mord in der Fuldastraße
Sebastian Kretz lässt Peggy Storch und Harm Harmsen in Neukölln ermitteln

Sebastian Kretz, Jahrgang 1982, ist gebürtiger Ostfriese und arbeitet hauptsächlich als Autor und Reporter für das Geo-Magazin. | Foto: Schnepp Renou
  • Sebastian Kretz, Jahrgang 1982, ist gebürtiger Ostfriese und arbeitet hauptsächlich als Autor und Reporter für das Geo-Magazin.
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Nach seinem Junggesellenabschied liegt Bräutigam Nils mit aufgeschlitzter Kehle in einer Neuköllner Touristenwohnung. Das Ermittlerduo Peggy Storch und Harm Harmsen geht auf Tätersuche. Das ist die Ausgangslage in Sebastian Kretz‘ Roman „Scherben“, der am 23. Juli erschienen ist.

Klingt nicht allzu ungewöhnlich für einen Krimi. Doch die Umstände sind es. Denn Peggy hat wilden Sex mit Nils‘ Kumpel, während im Nebenzimmer der Mord geschieht. Als sie, völlig zugedröhnt, auf die Toilette gehen möchte, irrt sie sich in der Tür und findet die Leiche. Sie macht sich schleunigst vom Acker, aber nicht, ohne zuvor Harmsen zu verständigen.

Zwei wie Feuer und Eis

Der nun ist das genaue Gegenteil von seiner gut 20 Jahre jüngeren Kollegin: ein behäbiger, wortkarger, sturer Ostfriese Mitte 50, der mit der Technik dermaßen auf Kriegsfuß steht, dass er es nur selten schafft, einen Handy-Anruf hinzubekommen. Sicherheitshalber steckt er immer das „Verzeichnis Berliner Telefonzellen“ ein. Peggy hat Molekularbiologie studiert, ist aggressiv, meistens unter Strom und in der Szene unterwegs. Der Gegensatz dieser beiden „neurotischen Käuze mit seltsamen Namen“, wie Kretz seine Figuren beschreibt, macht den großen Reiz der Geschichte aus.

Aber auch die Suche nach dem Mörder ist spannend. War es der Dealer, der noch spät nachts Drogen in die Airbnb-Wohnung an der Fuldastraße geliefert hat? Der junge Araber vom Moscheeverein im Erdgeschoss, der sich über den Lärm beschwerte? Einer der drei Kumpel vom Junggesellenabschied? Oder die schwangere Braut, die Untreue witterte?

Berliner Rotzigkeit

Sebastian Kretz schreibt gute Dialoge, und er lässt den Leser ständig zwischen Storchs und Harmsens Sicht der Dinge pendeln. Es ist amüsant, wenn der eingefleischte Autofahrer Harmsen beim Kauf eines BVG-Tickets fast an der Berliner Rotzigkeit scheitert. Oder wenn es um ein Apartment geht, „in dem die Möbel so neu und klapprig sind, dass Peggy nicht überrascht wäre, wenn hinter dem Sofa ein blaugelber Wichtel hervorspränge und fragte, ob man denn schon lebte“.

Ob das Buch ein wirklicher „Neukölln-Krimi“ ist, darüber lässt sich diskutieren. Ein Gutteil der Handlung findet in anderen Stadtteilen statt – so war es schon in Kretz‘ Erstling „Unkraut“. Immerhin nimmt der Autor die Leser im Laufe der Geschichte nicht nur mit in die Mordwohnung, sondern auch in ein nahegelegenes Hostel, aufs Tempelhofer Feld, in die Hasenheide und in eine bekannte Grünanlage: „Hat sich so ein Baulöwe anno Dings ein Denkmal in seiner eigenen Kiesgrube gesetzt, original mit Schlösschen und Wassertreppe und englischem Rasen, den du nicht betreten darfst. Weil der Park in Neukölln ist (…), ist der Rasen rund um die Uhr voll mit Kindern, die Weltfußballer werden wollen, und mit Frauen, die Sesamringe picknicken, und mit jungen schönen Menschen und älteren Schnauzbärten in übergroßen Sakkos, die einen ganzen Vormittag brauchen, um den Rasen zu überqueren.“ Richtig, der Körnerpark.

Sebastian Kretz: Scherben, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 240 Seiten, 9,90 Euro, ISBN: 978-3-499-27439-8.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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