Neues Erinnerungsprojekt hofft auf die Mithilfe der Berliner
"Wir suchen Filmmaterial, das das ganz normale Alltagsleben in der DDR widerspiegelt", berichtet Projektleiter Alberto Herskovits. Das können Filme von Familienfeiern, vom Urlaub, vom Leben im Kleingarten, von der Einschulung oder der Jugendweihe oder auch vom Einzug in eine neue Wohnung sein.
Gemeinsam mit dem kanadischen Politologen Laurence McFalls möchte der in Prenzlauer Berg lebende Dokumentarfilmer Herskovits ein Archiv mit Sachmalfilmmaterial aufbauen. Dort sollen Filme zusammengetragen werden, die in der DDR der 50er-Jahre bis zur Wende für private Zwecke aufgenommen wurden.
Dieses Material soll zum einen als dokumentarische Quelle für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stehen. Zum anderen soll es auch einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt werden. Dazu soll das Originalmaterial und bearbeitete Kurzfilmsequenzen auf einer interaktiven Internetplattform veröffentlicht werden. Gefördert wird dieses Projekt von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Alberto Herskovits, der das Projekt gemeinsam mit dem Wissenschaftler Laurence McFalls initiierte, ist vom Alltagsleben in der DDR fasziniert. In der Wendezeit drehte Herskovits einen Dokumentarfilm über das Leben in einem Ort bei Leipzig. "Ich begleitete hier den Übergang von der Noch-DDR zum vereinigten Deutschland. Dabei lernte ich viele Menschen kennen und deren Lebensgeschichte", berichtet der Filmemacher.
"Ich finde die Biographien von Menschen aus der DDR eigentlich interessanter und komplexer als Erzählungen aus dem Westen. Die Lebensgeschichten sind oft sehr offen und nicht selten auch geheimnisvoll, und das gefällt mir."
Vor drei Jahren lernte der Dokumentarfilmer Laurence McFalls am Rande eines Fußballspiels in Lichtenberg kennen. Beide kamen ins Gespräch und Herskovits erfuhr: Der Professor für Politikwissenschaften aus Montreal machte in der Wendezeit viele Interviews mit damaligen DDR-Bürgern über ihr Leben und die Veränderungen in ihrem Land. Bei erneuten Besuchen bei seinen damaligen Interviewpartnern merkte der Wissenschaftler: Deren Erinnerungen verblassten allmählich. Alberto Herskovits kam daraufhin auf die Idee, mit privatem Filmmaterial Erinnerungen wieder wachzurufen.
Vor zwei Jahren begannen sie, ein Konzept zu entwickeln, privates Filmmaterial aus der DDR-Zeit zu sichten, zu archivieren und für die Nachwelt zu erhalten. "Filmbilder lösen sehr konkrete und starke Erinnerungen aus", erklärt Herskovits. Sie ermöglichen außerdem auch all denen, die diese Zeit nicht erlebten, einen Einblick in das Leben in der DDR.
Dass im Projekt ausgerechnet 8mm-Schalfilme gesammelt werden sollen, begründet der Projektleiter: "Sie sind sehr ästhetisch, nicht so scharf wie moderner Film oder Video, aber dafür umso poetischer und schöner." Er stellt zugleich klar: "Es geht in diesem Projekt nicht darum, etwas zu verklären oder zu bewerten."
Wer 8mm-Filme für das Projekt zur Verfügung stellt, bekommt sein Material als Dankeschön komplett digitalisiert auf DVD - natürlich kostenfrei. Außerdem würden sich die Projektmitarbeiter freuen, wenn sich der eine oder andere private Filmer für ein Interview zur Verfügung stellt.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.