Wo Obdachlose ein Bett für die Nacht finden
Nachfrage in der Notunterkunft an der Storkower Straße steigt

Tanja Schmidt in einem Zimmer der Notübernachtung des Vereins strassenfeger. Alle Betten sind jede Nacht belegt. | Foto:  Bernd Wähner
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  • Tanja Schmidt in einem Zimmer der Notübernachtung des Vereins strassenfeger. Alle Betten sind jede Nacht belegt.
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Inzwischen sinken die Nachttemperaturen gen Gefrierpunkt. Und damit nimmt auch der Andrang an der Tür der Notübernachtung des Vereins strassenfeger stetig zu.

Die Notübernachtung in der Storkower Straße 139d ist eine von nur dreien in ganz Berlin, die das ganze Jahr über für Männer und Frauen geöffnet haben. Daneben gibt es noch vier solcher Notübernachtungen ausschließlich für Frauen und zwei für Familien, berichtet Tanja Schmidt, Vorständin des Vereins strassenfeger. Dass es zu wenige solcher Notübernachtungen in der großen Stadt Berlin gibt, darauf weisen die Träger dieser Einrichtungen immer wieder hin. Doch eine Schaffung neuer Plätze ist bislang nicht in Sicht.

„Bereits morgens um 8 Uhr gehen bei uns die ersten Anfragen ein, ob es bei uns für die kommende Nacht noch freie Plätze gibt“, berichtet Tanja Schmidt. Und am frühen Nachmittag stehen oder sitzen dann die ersten obdachlosen Menschen vor der Tür in der Hoffnung, einen der 31 Schlafplätze für die kommende Nacht zugewiesen zu bekommen. Geöffnet wird die Tür aber erst um 18 Uhr.

Tafel sorgt für das Abendessen

Wer in der Notübernachtung eingelassen wird, muss erst einmal einen Corona-Test machen. Ist das Ergebnis negativ, bekommt die betreffende Person ein Bett zugewiesen, wenn eines frei ist. Dann gibt es ein Abendbrot. Die Zutaten werden von der Berliner Tafel geliefert. Gegen 21 Uhr, wenn die Bäckerei Steinecke nach Schließung ihrer Läden ihre tägliche Spende zur Verfügung stellt, kann jeder noch einmal Kuchen bekommen. Zwischendurch kann die eigene Wäsche gewaschen, geduscht und Körperpflege vorgenommen werden. In der zwölf Quadratmeter kleinen Kleiderkammer können die Besucher außerdem Kleidung aussuchen. Und natürlich stehen Mitarbeiter für Beratungen zu sozialen, behördlichen und sonstigen Angelegenheiten zur Verfügung.

Irgendwann in der Nacht wird es etwas ruhiger in der Notübernachtung. Und gegen 23.30 Uhr findet ein Schichtwechsel statt. Dann geht die Schicht zu Ende, die bereits um 15.30 Uhr begann. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt für die zweite Schicht aber nicht. Denn so richtig ruhig bleibt es selten. Ab und an muss jemand auch der Unterkunft verwiesen werden und erhält Hausverbot. Das passiert zum Beispiel bei Verstößen gegen die Hausordnung, bei schweren Beleidigungen oder gar Handgreiflichkeiten gegenüber anderen.

Frühmorgens müssen sich dann alle auf den bevorstehenden Tag ohne Unterkunft vorbereiten und es gibt ein Frühstück. Und spätestens um 8 Uhr müssen alle die Notübernachtung verlassen haben. Danach braucht die Nachtschicht bis etwa 8.30 Uhr für die Nachbereitung in der Unterkunft. Währenddessen gehen oft schon die nächsten Anfragen zu freien Notübernachtungsplätzen in der Geschäftsstelle des strassenfegers ein.

Corona macht alles schwieriger

Frauen und Männern ohne festen Wohnsitz 365 Tage im Jahr nachts einen Schlafplatz anzubieten und sie zu versorgen, das ist so schon eine herausfordernde Aufgabe. Aber seit Beginn der Corona-Pandemie ist sie noch beschwerlicher geworden. So sind in der Unterkunft alle Corona-Regeln einzuhalten. „Wir mussten und müssen voraussichtlich wieder eine zusätzliche Schicht besetzen, die nur die Einhaltung dieser Regelungen durchsetzt“, berichtet Tanja Schmidt. „Da heißt es dann ständig: Setzt die Maske auf! Haltet Abstand! Fasst nicht Nahrungsmittel von anderen an! Und so weiter.“ Natürlich führte die Pandemie auch zum Ausfall eigener Mitarbeiter. Neben neun festangestellten sind das immerhin um die 25 ehrenamtliche, von denen etliche zur so genannten Risikogruppe gehören. „Mehrfach standen wir vor der Situation, schließen zu müssen, weil wir die Schichten nicht besetzen konnten“, berichtet Tanja Schmidt. „Bislang haben wir zum Glück immer noch eine Lösung finden können.“

Ein weiteres Problem sind positiv getestete Obdachlose, die nicht in der Notübernachtung bleiben dürfen. Bereits seit Mai drängen alle Berliner Notübernachtungen den Senat, wieder eine Quarantäne-Unterkunft für sie einzurichten. Doch das passierte bisher nicht. „Uns bleibt deshalb nur die Möglichkeit, der positiv getesteten Person eine Isomatte und einen Schlafsack in die Hände zu drücken und sie zu bitten, draußen zu übernachten.“ Was das bei den aktuellen Temperaturen und zunehmender Feuchtigkeit bedeutet, kann sich wohl jeder vorstellen.

Dass die Notübernachtung an der Storkower Straße überhaupt jeden Abend öffnen kann, ist zum einen dem Engagement der festen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins strassenfeger zu verdanken. Zum anderen kann die Einrichtung nur über Spenden ihren Betrieb aufrechterhalten. Weil in der aktuellen Situation auch die Kosten für die Notübernachtung steigen, sind weitere Spenden stets willkommen. Und auch weitere Ehrenamtliche sind gern gesehen, die ab und an eine Schicht in der Notübernachtung übernehmen.

Alle weiteren Informationen, auch zur Möglichkeit zu spenden, finden sich auf strassenfeger.org.

Tanja Schmidt in einem Zimmer der Notübernachtung des Vereins strassenfeger. Alle Betten sind jede Nacht belegt. | Foto:  Bernd Wähner
Tanja Schmidt in einem Zimmer der Notübernachtung des strassenfeger e.V. Alle Betten sind jede Nacht belegt. | Foto: Bernd Wähner
Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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