"Keiner muss mit seinen Problemen allein bleiben"
Ehrenamtliche beraten bei der Kirchlichen Telefonseelsorge

Uwe Müller leitet die Kirchliche Telefonseelsorge. Er und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter versuchen Menschen in für sie unlösbar scheinenden Konflikten und Krisensituationen zu helfen. | Foto:  Bernd Wähner
  • Uwe Müller leitet die Kirchliche Telefonseelsorge. Er und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter versuchen Menschen in für sie unlösbar scheinenden Konflikten und Krisensituationen zu helfen.
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Sie ist für viele Menschen in Krisen- und Konflikt-Situationen oft die vermeintlich letzte Rettung: die Kirchliche Telefonseelsorge Berlin (KTS).

Unter ¿0800 111 01 11 und ¿0800 111 02 22 erreichen Ratsuchende stets Gesprächspartner, die ihnen zuhören, sie trösten, Hilfsangebote empfehlen oder sie anregen, selbst aktiv zu werden und sich aus eigener Kraft aus der Krise zu befreien. Jährlich sind es zwischen 26 000 und 27 000 Anrufe, die die ehrenamtlichen Mitarbeiter der KTS, die ihren Sitz im Bezirk Pankow hat, entgegennehmen.

„Es sind zum einen existenzielle Probleme, mit denen sich Anrufer an uns wenden“, berichtet Uwe Müller, Leiter der KTS Berlin. „Häufig geht es da um Verluste oder bevorstehende Verluste: eines geliebten Menschen, des Arbeitsplatzes, der Gesundheit oder auch der Wohnung oder des Ersparten. Aber auch Lebensplanungen, Wünsche und Träume spielen eine Rolle.“

Ein weiterer Themenbereich ist die Vereinsamung. „Dieses Thema zieht sich durch alle Generationen“, sagt Uwe Müller. „Altersarmut ist natürlich ein spezielles Thema, mit dem wir schon immer zu tun hatten. Aber wir bekommen auch Anrufe von Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz oder sogar in ihrer Familie isoliert und einsam fühlen.“ Immer mehr Anrufe gibt es auch zum Thema Arbeitsverdichtung. Menschen, die in allen Bereichen „perfekt funktionieren“ wollen, „müssen auf Arbeit immer mehr leisten und auch die Familie wuppen“, erklärt Uwe Müller weiter. „Dieser Druck führt bei ihnen zu psychischen Veränderungen, die in Depressionen münden können. Damit haben dann aber nicht nur die unmittelbar Betroffenen zu tun, sondern oft wissen auch die Angehörigen nicht, wie sie damit umgehen sollen.“

Das Herz am rechten Fleck

So unterschiedlich, wie die Themen sind, die an die KTS herangetragen werden, so unterschiedlich ist auch die Zusammensetzung der Berater. Zurzeit sind es 148 Ehrenamtliche. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. „Wichtig ist uns, dass unsere Berater das Herz am rechten Fleck haben“, sagt Uwe Müller. Außerdem müssen sie sich gut artikulieren können. Die meisten Anrufer könnten nicht am Telefon ausdrücken, wie es ihnen wirklich geht. Da müssen sich die Berater einfühlen und auch bei der Wortwahl und beim Sortieren der Gefühle behilflich sein. Vorbereitet werden die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater auf ihre Aufgabe in einer intensiven Ausbildung. „Derzeit läuft gerade eine. Die nächste wird wohl im Herbst starten“, informiert Uwe Müller.

Dass es die KTS gibt, ist einer Reihe von Sozialpädagogen zu verdanken. Die sagten sich Mitte der 80er Jahre: Es gibt in Ost-Berlin zwar zahlreiche soziale Einrichtungen, aber kein anonymes Angebot, an das sich Menschen mit sie belastenden Problemen hinwenden können. So taten sich Diakonie, Caritas und die Freikirchen im Osten Berlins zusammen und richteten eine kirchliche Telefonseelsorge ein. Die DDR-Staatsmacht stellte sich zwar erst einmal quer. Man wollte weder Räume, noch einen Telefonanschluss zur Verfügung stellen. Aber die Kirchen ließen nicht locker. Der Start des Seelsorgetelefons im November 1988 wurde republikweit in Kirchenzeitungen angekündigt.

Neue Probleme nach der Wende

Nach der Wende wurde die KTS Berlin gesamtdeutsch. Die Ehrenamtlichen wurden plötzlich auch mit Problemen konfrontiert, die sie aus der DDR-Zeit gar nicht kannten. So spielte zum Beispiel verstärkt das Thema Arbeitslosigkeit eine Rolle. Wer in Ost-Berlin sein Leben lang hart gearbeitet hatte, kam damit einfach nicht klar.

Die KTS hat inzwischen nicht nur 33 Jahre engagierte Arbeit geleistet, sie hat auch einige „Ableger“ auf den Weg gebracht. Dazu zählen das Elterntelefon, das Kinder- und Jugendtelefon, die muslimische Telefonseelsorge (MuTeS) und die russischsprachige Telefonseelsorge „Telefon Doweria“, über die in einem gesonderten Projekt derzeit auch Geflüchtete aus der Ukraine beraten werden.

In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden einige Hundert Ehrenamtliche für die KTS ausgebildet. Diese sorgten und sorgen dafür, dass das Seelsorgetelefon stets rund um die Uhr besetzt ist. Damit das auch in Zukunft so bleibt, sind interessierte Ehrenamtliche stets willkommen, sich ebenfalls ausbilden zu lassen.

Wer mehr wissen möchte: Das Büro der KTS Berlin ist unter der Telefonnummer 440 30 82 24 (keine Seelsorge) sowie im Internet über www.telefonseelsorge-berlin-brandenburg.de zu erreichen. Die Telefonseelsorge selbst hat die Nummern 0800 111 01 11 und 0800 111 02 22. Jeder Anruf ist kostenfrei.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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