Inzidenz und Schwerpunktimpfung
BVV diskutiert, warum Spandau noch immer Corona-Spitzenreiter ist
Die Coronazahlen sind in den vergangenen Wochen massiv gefallen. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche, lag zuletzt im Berliner Durchschnitt im einstelligen Bereich.
Auch in Spandau ging diese Kurve zuletzt deutlich nach unten. Allerdings liegt der Wert im Bezirk weiter höher als in den meisten Bezirken. Etwa – als Momentaufnahme – am 23 Juni. Da vermeldete die Senatsverwaltung für Gesundheit für den Bezirk eine Inzidenz von 11,8 und damit Platz eins im Negativranking. Nur in Friedrichshain-Kreuzberg (10,7) war die Zahl ansonsten noch zweistellig. Neukölln, in der Vergangenheit ebenfalls meist ganz vorne vertreten, lag bei 6,1. Pankow als Spitzenreiter bei 3,9.
Warum sich gerade Spandau zu einem Corona-Hotspot entwickelt hat und diesem Ruf – wenngleich jetzt auf weit niedrigerem Niveau – weiter gerecht wird, war am 23. Juni auch Thema in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Gesundheitsstadtrat Frank Bewig (CDU) gab dafür einige Deutungsversuche, die, wie er einräumte, zwar nicht empirisch belegt seien, aber einiges zur Erklärung beitragen könnten. Sie liefen darauf hinaus, dass gerade ein großer, auch personeller Einsatz für die hohen Fallzahlen gesorgt habe. Spandau habe wie kaum eine andere Bezirksverwaltung sehr viele Beschäftigte in der Kontaktnachverfolgung eingesetzt. Außer vielleicht für kurze Zeit im vergangenen November sei es deshalb immer gelungen, das Umfeld eines Kranken und damit weitere Infizierte zu eruieren, erklärte der Stadtrat. Obligatorisch wäre es auch gewesen, ganze Familien zu testen, wenn es dort eine Corona-Fall gegeben hat. Andere Bezirke hätten dagegen mit Allgemeinverfügungen gearbeitet, die es einem Covid-19-Patienten auferlegte, sich zu melden und seine Kontakte zu benennen, erinnerte er. Was suggerierte, dass in diesen Fällen von einer höheren Dunkelziffer auszugehen ist.
Fast 2700 Menschen bei
Schwerpunktaktion geimpft
Frank Bewig vergaß allerdings auch nicht zu erwähnen, dass manche Spandauer Wohnverhältnisse ebenfalls ihren Anteil zur hohen Zahl an Infizierten beigetragen haben, speziell große Familien, die in Großsiedlungen in kleinen Wohnungen leben. Sie zu erreichen und besser zu schützen war deshalb auch das Ziel der Schwerpunktimpfung Ende Mai. Deren Ergebnis, das die FDP-Fraktion in einer Großen Anfrage in Erfahrung bringen wollte, war auch der Anlass für die sich anschließende Inzidenzdebatte.
Impfberechtigt waren zunächst Bewohner aus dem Gebiet Heerstraße Nord. Im Verlauf des dreitägigen Einsatzes konnten auch Menschen aus weiteren Quartieren in Staaken daran teilnehmen. Insgesamt 2694 Dosen seien an diesem Wochenende verimpft worden, erläuterte der Stadtrat. 1854 des Präparats von Moderna, 840 von Johnson & Johnson. Letzteres muss nur ein Mal gespritzt werden. Kein Vakzin sei übrig geblieben.
Ob wirklich insbesondere die angepeilte Zielgruppe erreicht worden sei, wäre im Nachhinein schwer festzustellen. Entscheidend war für Frank Bewig das Resultat. Nämlich fast 2700 Menschen, die inzwischen einen ersten oder sogar vollen Impfschutz haben. Auch die Kosten hielt er für zweitrangig. Es gäbe zwar noch keine Abschlussrechnung, aber natürlich wäre der Bezirk in vielerlei Hinsicht finanziell involviert: vom Bezahlen verschiedener beteiligter Organisationen bis zur Verpflegung und der Reinigung des Impfortes in der Turnhalle der Christian-Morgenstern-Grundschule. Dem müsse aber immer der Preis für jede Corona-Kranken entgegengesetzt werden.
Eher zur hinterfragen sei nach Ansicht des Gesundheitsstadtrats der immense Aufwand einer solchen Schwerpunktimpfung. Er machte deutlich, dass es einen ähnlichen Einsatz in Spandau deshalb wohl nicht mehr geben werde. Gut wären aber weitere kleinere Aktionen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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