Bei der abw wird gering literalisierten Menschen geholfen
Bündnis gegen Analphabetismus

Diplom-Berufspädagogin und Alpha-Bündnis-Koordinatorin Inge Schick: „Es kann doch nicht sein, dass hier so viele Menschen nicht richtig lesen und schreiben können.“ | Foto: Matthias Vogel
  • Diplom-Berufspädagogin und Alpha-Bündnis-Koordinatorin Inge Schick: „Es kann doch nicht sein, dass hier so viele Menschen nicht richtig lesen und schreiben können.“
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In Berlin gibt es etwa 320.000 funktionale Analphabeten. Anlass für den Bezirk, initiativ zu werden. Im kommenden Frühjahr geht unter dem Dach der gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen (abw) ein Alpha-Bündnis an den Start.

Inge Schick heißt die Frau, in deren Büro in der Sophie-Charlotten-Straße 83A alle Fäden des Netzwerkes zusammenlaufen sollen. Die diplomierte Berufspädagogin ist seit drei Jahren beim abw-Projekt „Nachschlag“ in der Erwachsenenbildung tätig. Dort bereitet sie junge Menschen auf das Nachholen eines Schulabschlusses vor und ist tagtäglich mit der Problematik konfrontiert. Das Thema interessiert sie aber schon länger.

Oft wird die Schwäche
erst nach der Schullaufbahn erkannt

„Ich dachte mir, es kann doch nicht sein, dass hier so viele Menschen nicht richtig lesen und schreiben können“, sagt sie und erklärt die drei Abstufungen des funktionalen Analphabetismus’: „In ganz schweren Fällen können die Betroffenen nicht einmal ein Wort lesen, andere lesen ganze Sätze nicht richtig und den dritten fehlt die Fähigkeit, zusammenhängende Texte zu erfassen.“ Die Leo Studie aus dem Jahr 2012 beziffert die Zahl dieser Analphabeten auf 7,5 Millionen Menschen bundesweit – manche mit einer Einschränkung, mit Migrationshintergrund oder ohne, aber alle mit einem deutschen Pass und bei allen – und das ist kaum zu verstehen – wurde die Schwäche nach dem Durchlaufen eines deutschen Schulsystems erfasst. Eine schwer zu differenzierende Statistik sei das, sagt Schick, „weil sich die Menschen dafür schämen.“

Damit gibt sie bereits einen Hinweis auf den wesentlichen Zweck des Alpha-Bündnisses: die Öffentlichkeit sensibilisieren, den Betroffenen die Angst nehmen und ihnen zeigen, dass sie Hilfe bekommen können. Das Berliner Grundbildungszentrum mit Sitz in Charlottenburg wünscht sich ein solches Bündnis für jeden Bezirk, es hilft bei der Gründung und beim Knüpfen eines Netzwerkes. Im Bezirk obliegt der Volkshochschule City West die Federführung des Projektes, sie bietet letztendlich die entsprechenden Kurse an. Die Bündnispartner, denen schlecht alphabetisierte Menschen auffallen – bis jetzt sitzen zum Beispiel das Haus der Familie, das Stadtteilzentrum Charlottenburg-Nord oder die Evangelische Familienbildungsstätte mit im Boot – können dann mit Hilfe von Inge Schick und eben der VHS niederschwellige Bildungsangebote für die Betroffenen finden. 

Positiv für das Selbstbewusstsein der Menschen

2012 wurde das erste Alpha-Bündnis in Neukölln gegründet. Die Initiative in Charlottenburg ist also keine neue, wohl aber eine dringend notwendige, wie Bildungsstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) findet. „Das hatte ich schon bei meinem Amtsantritt 2017 auf dem Schirm, jetzt ist es endlich soweit.“ Zusammen mit Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD), trug sie den Wunsch bei der Senatsverwaltung vor, ein Alpha-Bündnis aufbauen zu wollen. Das Land reagierte mit einem „kleinen Startkapital“ darauf. Als Träger war schnell die abw auserkoren, eine erfolgreiche, etablierte Einrichtung für Erwachsenenbildung im Bezirk. Bündnis-Koordinatorin Inge Schick freut sich auf ihre neue Aufgabe, denn wie Schmitt-Schmelz ist sie der Meinung, dass die gering literalisierten Mitbürger dringend Hilfe brauchen. Um ihre Teilhabe zu stärken, den Alltag und die Jobsuche zu erleichtern, sich im Beruf weiterbilden, Anträge und Formulare selbst ausfüllen zu können und durch das alles mehr Selbstbewusstsein zu erlangen.

Was sich die Berufspädagogin ganz oben auf ihre To-Do-Liste geschrieben hat: „Ich möchte unbedingt auf die Unternehmen zugehen und sie dafür sensibilisieren, dass auch Mitarbeiter von ihnen betroffen sein könnten. Mittlerweile ist laut Schmitt-Schmelz ein Antrag des SPD-Verordneten Marc Schulte, für die Unterstützung des Projektes 30.000 Euro im Haushalt einzuplanen, vom Ausschuss für Weiterbildung und Kultur einstimmig angenommen worden. „Dringend benötigtes Geld. Es wäre daher toll, wenn auch die BVV zustimmen würde“, so die Stadträtin.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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