Das Dorf der Architekten: Werkbund plant im Mierendorff-Kiez 1100 Wohnungen

Endlich spruchreif: Stadtrat Marc Schulte und Amtsleiter Rainer Latour präsentieren Anwohnern ehrgeizige Pläne. | Foto: Thomas Schubert
2Bilder
  • Endlich spruchreif: Stadtrat Marc Schulte und Amtsleiter Rainer Latour präsentieren Anwohnern ehrgeizige Pläne.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. 30 000 Quadratmeter Platz, 30 Architekten – eine Vision: Das Tanklager am Spreebord weicht einem völlig neuen Stadtquartier. Doch die Superlative befreien nicht von allen Sorgen.

So wohnt man heute. Das ist eigentlich alles, was der Werkbund der Welt sagen will. So leicht der Satz Paul Kahlfeldt, dem stellvertretenden Vorsitzenden, über die Lippen kommt – das Vorhaben zwischen Spreebord und Quedlinburger Straße wird kein Bauprojekt von der Stange. Es soll als Maßstab gelten für das gelungene Zusammenleben in einer Großstadt des 21. Jahrhunderts.

Die Grundbedingungen dafür lauten wie folgt: Man nehme ein weitläufiges Industriegrundstück, befreie es von seinen stählernen Altlasten. Man befriede drei Grundstückseigentümer, die ebenso gut eigene Pläne verfolgen könnten. Und dann lasse man den Ideen von 30 handverlesenen Architekten freien Lauf. Was dabei herauskommt? Bestenfalls ein quicklebendiges, neues Stadtquartier mit 1100 Wohnungen und Vorbildwirkung. Schlimmstenfalls ein Chaos.

„Dies wird die Werkbundstadt“

Dass letzteres ausbleibt, dafür will der Deutsche Werkbund, ein 1907 gegründeter Zusammenschluss von Architekten, Künstlern und Unternehmern, alle Register ziehen. „Dies wird die Werkbundstadt“, erklärt Kahlfeldt. „Ein urbanes, dichtes Gebiet, so wie es hier auf der Mierendorff-Insel hingehört.“ In enger Abstimmung mit Baustadtrat Marc Schulte (SPD) und Rainer Latour, dem Leiter des Stadtplanungsamts, steuerten die Planungen monatelang dem Moment entgegen, da man das Großprojekt öffentlich präsentieren kann.

Und nun war es so weit. Neben einem ersten Holzmodell und schematischen Karten saßen alle Verantwortlichen in der Mierendorff-Grundschule beisammen und skizzierten ein Vorhaben, das sich anhört, als wolle man einen gemeinsamen Wunschtraum in Beton gießen.

Nicht weniger als 33 unterschiedliche Häuser sollen entstehen. „Es wird eine Fortstrickung des Vorhandenen mit Beziehungen zum Wasser“, verspricht Kahlfeldt. Entfaltungsraum zum Weiterführen des Berliner Nebeneinanders von Wohnen, Arbeiten und genussvoll Leben. „Jedes Haus bekommt eine eigene Adresse und eigenes Gesicht zur Straße. Es gibt Wege, aber keine Autoabstellflächen. Sushi kann geliefert werden, aber es wird nicht geparkt.“ Autos ruhen unter der Erde, auf dass an der Oberfläche Raum bleibt zur Selbstentfaltung.

Der Zeitplan? Stramm gegliedert. Schon im Februar beginnt die Abstimmung mit Grundstückseigentümern und dem Bezirk zur Bebauung der Parzellen. Beteiligt sind Werkbund-Büros in der ganzen Welt. London, Mailand, Berlin, Schweiz. Gedanken aus höchst verschiedenen Erdteilen und Architektenköpfen greifen auf dem Areal des Tanklagers ineinander.

Erste Pläne am 23. September

Zur Mitte des Jahres will man entschieden haben, welches Planungsbüro welche Parzelle entwickelt. Und am 23. September, dem Werkbundtag, soll das Publikum statt Holzklötzchen bereits konkrete Simulationen zur Kenntnis nehmen. Schon jetzt steht laut der Berliner Werkbund-Vorsitzenden Claudia Kromrei fest, dass 30 Prozent der Siedlung auch für den kleinen Geldbeutel taugen sollen. Das heißt: Knapp ein Drittel kommen zu Preisen auf den Markt, die andernorts für Sozialwohnungen üblich wären, allerdings ohne staatliche Förderung. Und das in jedem einzelnen Haus.

Was das kühne Vorhaben aus stadtplanerischer Sicht bedeutet? Für Amtsleiter Latour ist es die Heilung einer lange durch Industrienutzung entstellten Stadtlage. Was bleibt, ist der „Elefantenblock“ des Vattenfall-Kraftwerks. Nach dem Krieg wurde die alte Parzellierung aufgegeben, „weil die Industrie stärker war“.

Jetzt schreibt man das Jahr 2016. Ein Zeitpunkt, in dem Wohnraum dringender benötigt wird denn je. Und das Kräfteverhältnis zwischen Industrie und Platz zum Leben, es dreht sich erneut. Dass im Werkbundquartier auch zwei 16-geschossige Hochhäuser stehen dürften, ist aus Sicht von Stadtrat Schulte nur konsequent. „Wir müssen sehen, wie wir diese Baumasse hinbekommen und dabei noch Raum für einen grünen Stadtplatz erhalten“, sagt er den Kritikern dieser Idee. „Die Frage ist doch: Soll sich das Wohnen hinter dem Kraftwerk verstecken? Oder soll es einen sichtbaren Akzent setzen?“

Es deutet sich an – wo so viel gebaut wird, bleibt auch reichlich Raum zur Debatte. Und in der Tat: Auch Paul Kahlfeldt behauptet nicht, dass die Werkbundstadt ohne Dispute bezugsfertig wird: „15 Prozent der Arbeit stehen fest. Über 85 Prozent werden wir noch streiten.“ tsc

Endlich spruchreif: Stadtrat Marc Schulte und Amtsleiter Rainer Latour präsentieren Anwohnern ehrgeizige Pläne. | Foto: Thomas Schubert
Innovatives Wohnen statt Industrie: Das Tanklager verschwindet zugunsten eines Quartiers, an dem Dutzende Architekten Hand anlegen. | Foto: Thomas Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 703× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 754× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 433× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 890× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.820× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.