Gedenktafeln im Fußwegpflaster
Zehn neue Stolpersteine verlegt

Rosalie Hirsch und ihre Tochter Edith Baer wohnten bis zur ihrer Deportation in der Friedenstraße.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Rosalie Hirsch und ihre Tochter Edith Baer wohnten bis zur ihrer Deportation in der Friedenstraße.
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In Friedrichshain und Kreuzberg erinnern zehn neue Stolpersteine an jüdische Berliner, die von den Nazis in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Der Bezirk hat damit jetzt 924 solcher Gedenktafeln im Gehwegpflaster.

Hannchen Friedenstein lebte mit ihren Kindern Cäcilie und Ludwig in der Weichselstraße 17. Sie arbeitete als Schneiderin und musste unter den Nazis Zwangsarbeit in der AEG Fernmeldekabel- und Apparatefabrik in Oberschöneweide leisten, weil sie Jüdin war. Auch ihre Tochter Cäcilie war zwangsverpflichtet. Bei einer „Fabrikaktion“ im Februar 1943 wurden beide verhaftet und deportiert. Cäcilie wurde am 1. März 1943 in Auschwitz ermordet, ihre Mutter Hannchen im Februar 1944 in Theresienstadt. Zwei Stolpersteine erinnern nun an die beiden Berlinerinnen. Eine engagierte Friedrichshainerin hatte die Steine angeregt.

Zwei Stolpersteine glänzen jetzt auch im Pflaster vor der Friedenstraße 24. Dort wohnten Rosalie Hirsch und ihre Tochter Edith Baer. Auch sie wurden ermordet. Edith Baer starb drei Tage nach ihrer Deportation im Oktober 1942 in Riga. Rosalie Hirsch deportierten die Nazis im Juni 1943 nach Theresienstadt, wo sie nicht überlebte.

In der Voigstraße 35 waren Pauline und Siegfried Falk zu Hause. Seine Wohnung und das dortige Geschäft musste das Ehepaar 1939 aufgeben. Beide zogen in die Michaelkirchstraße 26 um. Am 27. November 1941 wurde das Ehepaar mit dem 7. Osttransport vom Bahnhof Grunewald nach Riga deportiert und drei Tage später in den Wäldern von Riga-Rumbula erschossen. In dem Kiefernwäldchen ermordeten Angehörige der SS Ende 1941 an nur zwei Tagen über 26 000 lettische und 1053 Berliner Juden.

Weitere Stolpersteine wurden in der Niederbarnimstraße 13 verlegt – für Alice und Brigitte Erb. Alice war Zwangsarbeiterin und wurde am 6. März 1943 mit ihrer fünfjährigen Tochter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und vermutlich gleich nach ihrer Ankunft in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet. Die Stolpersteine für Mutter und Tochter waren bereits 2006 verlegt worden. Sie verschwanden im Sommer 2020 bei Straßenbauarbeiten.

In der Waldemarstraße 23 lebte bis zu ihrer Deportation die Jüdin Bertha Birnbaum. Weil sie in einer sogenannten Mischehe lebte, war sie zunächst geschützt. Mit dem Tod ihres nichtjüdischen Mannes verlor sie jedoch diesen Schutz. Sie kam in ein Sammellager und wurde am 26. Mai 1944 von dort nach Theresienstadt deportiert. Als die Rote Armee das Ghetto am 8. Mai 1945 befreite, lebte sie noch, war aber so geschwächt, dass sie im Alter von 73 Jahren am 11. August 1945 in Theresienstadt verstarb. Angehörige sorgten dafür, dass Bertha Birnbaum jetzt einen Stolperstein bekam.

Einen solchen Gedenkort hat nun auch Johanna Rosenthal. Er kam vor der Solmsstraße 24 ins Straßenpflaster, initiiert von einem Kreuzberger. Laut Berliner Adressbuch wohnte Johanna Rosenthal seit 1935 in der Kellerwohnung des Hauses. Anfang September 1942 wurde sie ins Jüdische Altersheim an der Gerlachstraße gebracht. Am 14. September 1942 wurde die damals 70-Jährige mit dem 2. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Von dort verschleppten sie die Nazis neun Tage später ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie vermutlich kurz nach der Ankunft ermordet wurde.

Die handgefertigten „Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg finanziert die Stolpersteine seit 2017. Im Bezirk gibt es inzwischen 924 solcher Gedenkorte.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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