Viele bleiben unsichtbar
Seit drei Jahrzehnten unterstützt die "Off Road Kids Stiftung" junge Wohnungslose

Schätzungsweise 3000 junge Leute haben in Berlin kein Obdach, Tendenz steigend. | Foto:  Mario Hausmann
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  • Schätzungsweise 3000 junge Leute haben in Berlin kein Obdach, Tendenz steigend.
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Die Zahlen sind erschreckend, zumal für ein reiches Land wie Deutschland: Im Wohnungslosenbericht 2022 des Deutschen Jugendinstituts wird die Zahl der von Obdachlosigkeit bedrohten und von allen Hilfesystemen entkoppelten Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf bis zu 38.000 geschätzt. Allein in der Hauptstadt gehen offizielle Schätzungen von über 3000 sogenannten Straßenkindern aus.

Eine Organisation, die diesen Missstand seit nunmehr 30 Jahren bekämpft, ist die „Off Road Kids Stiftung“. Es ist ein Jubiläum, das weniger zum Feiern anregt, sondern eher nachdenklich macht. Wie einst auch den Journalisten Markus Seidel, der im Jahre 1993 eine Recherche über Straßenkinder in Deutschland zum Anlass nahm, mit Freunden die bundesweite Hilfsorganisation zu gründen. Heute unterhält die „Off Road Kids Stiftung“ Streetwork-Stationen in Berlin, Hamburg, Dortmund, Köln und Frankfurt sowie die virtuelle Streetwork-Station sofahopper.de. Rund 50 Mitarbeiter sind täglich damit beschäftigt, junge Menschen im Alter bis 27 Jahre von der Straße zu holen, ihnen ein Dach über dem Kopf zu vermitteln und damit für eine dauerhafte Lebensperspektive zu sorgen. So konnte seit Stiftungsgründung über 10 000 jungen Menschen geholfen werden.

Viele schwierige Lebenslagen

Gleichwohl hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschärft. „Besonders Corona ließ die Zahlen in die Höhe schnellen“, sagt Ines Fornaçon, Leiterin der Berliner Streetwork-Station. Die Diplom-Pädagogin arbeitet seit 22 Jahren bei den „Off Road Kids“. Sie kennt die vielen schwierigen Lebenslagen, in denen sich obdachlose junge Menschen befinden, und weiß auch um die Ursachen. „Eine drohende Wohnungslosigkeit ist oft Folge von familiären Problemen, von der Trennung des Partners, von Mittellosigkeit oder sie steht am Ende der Jugendhilfe“, erklärt Fornaçon. „Es mangelt häufig an psychischer Stabilität, an beruflicher und finanzieller Eigenständigkeit und an gesellschaftlicher Integration.“

Ines Fornaçon (Mitte) leitet die Streetwork-Station Berlin. An ihrer Seite: Christoph Hildebrand und Benthe Müller-Nickel.  | Foto:  Off Road Kids
  • Ines Fornaçon (Mitte) leitet die Streetwork-Station Berlin. An ihrer Seite: Christoph Hildebrand und Benthe Müller-Nickel.
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Ein Großteil der jungen Leute sind zwischen 18 und 24. Und viele entsprechen oft gar nicht dem Klischee eines Obdachlosen, haben teils noch Arbeit oder sind in der Ausbildung, sind normal gekleidet und übernachten bei Freunden und Bekannten. „Deshalb bleiben sie und ihre Probleme für die Gesellschaft auch weitgehend unsichtbar, während ihre Zahl aber weiter steigt“, sagt Ines Fornaçon. Bis November hat sie und ihr fünfköpfiges Berliner Team bereits über 210 Personen in intensiver Einzelfallhilfe beratend betreut. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 180 Personen. Dabei habe sich ihre Arbeit in den vergangenen Jahren sehr verändert, so Fornaçon. „Früher war es die klassische Sozialarbeit auf der Straße, nämlich Hotspots und Szenetreffs aufsuchen, behutsam Vertrauen aufbauen, Kontakte knüpfen und Hilfsangebote machen. Heute kommen die meisten der Jugendlichen, rund 88 Prozent, selbst auf die Stiftung zu, oftmals über das bundeweite digitale Angebot sofahopper.de.“

Wohnungsangebote willkommen

So habe sich die Arbeit von der Straße an den Beratungstisch verlagert – mit komplexen Herausforderungen, die besonders die Wohnungssuche betreffen. „Damit verbringen wir sehr viel Zeit“, so Fornaçon. „Denn steigende Mieten, knapper Wohnraum und die seit dem Krieg steigende Zahl an Geflüchteten machen es zunehmend schwerer, adäquate Unterkünfte für die Wohnungslosen zu finden.“ Deshalb sind dem Team Wohnungsangebote immer willkommen. Ebenso wie Spenden, mit denen sich die Stiftung in erster Linie finanziert. Voraussichtlich 50 000 Beratungsstunden wird die „Off Road Kids Stiftung“ in diesem Jahr leisten, wobei jeder gespendete Euro eine Minute professionelle Beratung ermöglicht.

Die Spendenmöglichkeiten sowie weitere Informationen rund um die „Off Road Kids Stiftung“ sind im Internet unter offroadkids.de zu finden. Die Berliner Streetwork-Station befindet sich in der Bartningallee 18 in Moabit direkt im S-Bahnhof Bellevue und ist unter Tel. 24 63 86 33 zu erreichen.

Schätzungsweise 3000 junge Leute haben in Berlin kein Obdach, Tendenz steigend. | Foto:  Mario Hausmann
Ines Fornaçon (Mitte) leitet die Streetwork-Station Berlin. An ihrer Seite: Christoph Hildebrand und Benthe Müller-Nickel.  | Foto:  Off Road Kids
Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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