Keine leichtfertigen Urteile
Klaus Dieter Spangenberg arbeitet ehrenamtlich für die Aidshilfe – als Betroffener

Sozialarbeiter Klaus Dieter Spangenberg hat schon früh Erfahrungen als Berater gesammelt. | Foto: KEN
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Die Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung bleiben anonym. Das verschafft Klaus Dieter Spangenberg die nötige Distanz. Als Telefonberater für die Berliner Aidshilfe zu arbeiten, ist keine einfache Aufgabe.

Spangenberg ist diskret. Über die Fälle, die er seit Beginn seines Engagements im Jahr 2016 am Telefon zu hören bekommen hat, spricht der 55-Jährige nicht. Dafür gerne über seine Einsatzbedingungen im vierten Obergeschoss der Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 11 und über die Immunschwächekrankheit selbst.

25 Ehrenamtliche arbeiten bei dem Dienst in drei Schichten. Jede Schicht dauert drei Stunden. Unter 19411 sind die Telefonberater der Aidshilfe an jedem Tag von 12 bis 22 Uhr zu erreichen. Sie beraten zu Infektionswegen und -risiken, zu den Möglichkeiten, sich zu schützen und sie vermitteln Adressen von Testberatungsstellen und weiteren Angeboten im Zusammenhang HIV und Aids. Die Berater informieren über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene.

Altwerden ist möglich

„HIV ist heute kein Todesurteil mehr“, sagt Spangenberg. Diese Annahme sei aber noch in vielen Köpfen vorhanden. „Wir müssen immer wieder neu informieren.“ Eine HIV-Infektion sei heutzutage wie eine Diabetes, mit der man zur Arbeit gehen und alt werden könne.

Bevor sich der studierte Diplomsozialarbeiter und Kunsttherapeut das erste Mal ans Telefon gesetzt hat, hat er eine umfassende Schulung der Deutschen Aidshilfe absolviert. „Eine gute Vorbereitung auf die Tätigkeit ist wichtig“, sagt Spangenberg. Die Aidshilfe suche ihre Mitarbeiter sehr sorgfältig aus.

Bei Spangenberg hat alles gepasst. Der gebürtige Marburger beschäftigt sich bereits seit seiner Studienzeiten mit dem Thema. Er war Mitbegründer einer Schwulengruppe in Fulda, die später gemeinsam mit der Caritas und pro familia die Aidshilfe in der Bischofsstadt aus der Taufe gehoben hat. „Das erste Beratungstelefon stand in meiner Wohngemeinschaft“, erinnert sich Spangenberg. Und da ist noch etwas: Spangenberg ist selbst betroffen. Zwei Monate nach seinem 30. Geburtstag erfuhr er, dass er das HI-Virus in sich trägt. Wo und durch wen er sich angesteckt hat, kann er nur vermuten. „Ich habe nicht panisch reagiert. Ich habe nie gefragt 'Warum ich?'. Es ist halt so und es geht weiter“, sagt er.

Beitrag zur Gesellschaft, trotz Frührente

1998 begann Spangenberg mit der lebenslangen Einnahme von Medikamenten, die das Virus in Schach halten. Er machte seinen Job in der Altenarbeit weiter. Später war er hauptamtlicher Mitarbeiter beim Informations-, Beratungs-, und Hilfsprojekt Pluspunkt der Berliner Schwulenberatung. Doch irgendwann wurde der Beruf zur körperlichen und seelischen Belastung. Die Medikamente mit ihren Nebenwirkungen taten ihr übriges: Burnout und 2010 Frühruhestand. „Von null auf jetzt war ich Rentner, mit 45 Jahren.“

Er habe vor der Frage gestanden, wie er sich sinnstiftend betätigen könne, sagt Spangenberg. Von seiner Krankheit wollte er sich nicht zum Opfer machen lassen. „Im Ehrenamt fühle ich, dass ich noch gebraucht werde“, sagt er. Er will der Gesellschaft etwas zurückgeben. Inzwischen hat sich Spangenberg abgesehen davon auch als Maler und Autor von Biographien einen Namen gemacht.

Im März kam noch ein weiteres Ehrenamt dazu: Spangenberg ist Schöffe einer Kammer am Landgericht Berlin. Im Jahreskalender stehen zwölf bis 14 Pflichttermine. Häufig dauern die Gerichtsverhandlungen einen ganzen Tag – oder Spangenberg hat drei Prozesse an einem. Verhandelt würden Delikte wie etwa Fahren ohne Führerschein, Fahrerflucht, Betrug oder auch Diebstahl. Ein Urteil über einen fremden Menschen zu fällen, sei eine schwerwiegende Angelegenheit, sagt Spangenberg. Denn man kenne seine Lebensgeschichte nicht.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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