Nichts ist umsonst
Beate Ernst und ihr Einsatz für eine saubere Stadt

Beate Ernst vom Verein "Wir Berlin" ruft zur Teilnahme am Aktionstag 2019 am 21. September auf. | Foto: KEN
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Da staunt selbst Beate Ernst. Eine solche „Kreativität“ von Schmutzfinken ist der pensionierten Gymnasiallehrerin und ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden von „Wir Berlin“ noch nicht begegnet. Sie hat das böse Beispiel im Bild festgehalten: Müllsünder haben neben einer beschmierten Parkbank Bierflaschen über Äste eines Baumes gestülpt.

Trotzdem lässt so etwas Beate Ernst nicht an ihrer Mission zweifeln, die sie mit anderen Mitstreitern vorantreibt: Dass Menschen in der Stadt mehr Verantwortung für die öffentlichen Grünanlagen, den Spielplatz – kurz: für den Kiez – übernehmen und mithelfen, Berlin noch lebens- und liebenswerter zu machen. Ihr Verein „Wir Berlin“ organisiert Kampagnen, Veranstaltungen, Platzinitiativen – und den alljährlichen stadtweiten Putzaktionstag.

Seit zehn Jahren ist Beate Ernst, die in Neukölln, wie sie sagt, „mit Leidenschaft“ Politik und Mathematik unterrichtet hat, für ein besseres Erscheinungsbild der Stadt unterwegs. Nach ihrer Pensionierung habe es sie schon bald „gekribbelt“, erzählt Ernst. Ohne Engagement zu leben: Das ging nicht.

Sie beteiligte sich an der Bürgerplattform Stadtgespräch Berlin“. Dort wurde über die Stadt der Zukunft diskutiert – und die Frage erörtert, wie gastfreundlich Berlin ist. Es war die Zeit, in der überregionale Zeitungen in punkto Sauberkeit gegen Berlin Stimmung machten. Es war die Ära Wowereit, in der das „arm aber sexy“-Image Berlin prägte. Schmuddeligkeit galt als cool.

Verwahrloste Orte

Sie habe sich damals die Frage gestellt: Wie ist es tatsächlich? Wer kümmert sich? Der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) habe das Sparen, bis es quietscht verordnet. „Die Berliner Stadtreinigung hat eben das gemacht, wofür sie bezahlt wurde.“ Es habe mitten in der Stadt verwahrloste Orte gegeben, beispielsweise den Olof-Palme-Platz direkt vor dem Eingang zum Zoo und zum Aquarium. Und da seien in den Kiezen die zahlreichen Initiativen gewesen, die unabhängig voneinander gegen Müll und Dreck vorgegangen seien. Diese Aktivitäten wollte Beate Ernst bündeln, „um andere zum Mitmachen zu animieren“. Die gesamte Stadtgesellschaft sollte eingebunden sein: die öffentliche Hand, Bürger und Unternehmen.

So hat sich aus der Bürgerplattform 2010 die Initiative „Wir Berlin“ entwickelt. Ende 2013 wurde daraus ein gemeinnütziger, eingetragener Verein. Heute ist „Wir Berlin“ eine gemeinnützige GmbH mit elf Gesellschaftern. Der erste Aktionstag fand 2011 in Friedenau statt, gemeinsam mit der Initiative „Friedenau räumt auf“. Es wurde ein Erfolg. Inzwischen steht am 20. und 21. September der neunte Aktionstag vor der Tür.

Von der Hand in den Mund

Diese Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Wir Berlin“ finanziell „von der Hand in den Mund“ lebt. „Gutgemeinte Worte aus der Politik reichen nicht aus“, sagt Beate Ernst. Sie würde sich eine Dauerfinanzierung vom Senat wünschen, so, wie es in anderen Städten, etwa in Hamburg, Bonn, München oder Braunschweig üblich sei.

Saubermachen bedeute, so Beate Ernst, anderen zu zeigen, dass ihr Wegwerfverhalten falsch ist. „Der Lebensraum aller kann nicht von wenigen zugemüllt werden.“ Putzaktionen hätten zudem den Effekt, dass Bezirke sich wieder um ihre Parks und Plätze kümmerten. Als Beispiel führt die „Wir Berlin“-Vorsitzende den lange Zeit vernachlässigten Nikolsburger Platz in Wilmersdorf an. Dort ließ das Bezirksamt neue Parkbänke aufstellen, die Bewässerungsanlage instandsetzen und veranlasste eine regelmäßige Brunnenreinigung.

Neben den Putzaktionen ist die zweite Säule von „Wir Berlin“ das Projekt der Aufklärung und Müllvermeidung. „Das ist die schwierigste Aufgabe, ein langfristiges Projekt. Es beginnt in der Familie und bei der Erziehung“, sagt Beate Ernst. Der Anspruch der Gesellschaft, das Saubermachen an die Berliner Stadtreinigung zu delegieren, ist aus ihrer Sicht falsch. Warum würden wohl nach einem heißen Sommertag Berliner Parks wie der Große Tiergarten, der Volkspark Friedrichshain oder der Mauerpark so aussehen, als hätten die Besucher panikartig die Flucht ergriffen?

Immerhin aber kann „Wir Berlin“ in punkto Aufklärung beim Hundekot einen Erfolg verzeichnen. Die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners nicht aufzunehmen, sei inzwischen „gesellschaftlich geächtet“. „Das ist kein Aufreger mehr“, erklärt Beate Ernst. Dasselbe will sie mit Zigarettenkippen erreichen.

Aufklärung und Erziehung seien aber auch Grenzen gesetzt. Sie könne nach Putzaktionen in der Hasenheide, die Drogenverstecke und geknackte Safes zutage gefördert haben, Drogendealern nicht mit dem Besen in der Hand erklären, dass sie hier keine Drogen mehr verstecken dürften.

Mit Blick auf den Aktionstag 2019 appelliert Beate Ernst an alle: „Leute, engagiert euch. Nichts ist umsonst.“ Kurz nach den Berliner Sommerferien waren bereits 60 Gruppen angemeldet. „Die Anmeldeflut wird in den nächsten zwei Wochen steigen“, ist Beate Ernst überzeugt.

Fest zum Thema Nachhaltigkeit

Erstmals beteiligt sich „Wir Berlin“ mit seiner Aktion am weltweiten „World Cleanup Day“. Und noch etwas ist in diesem Jahr neu. Zum ersten Mal veranstaltet „Wir Berlin“ am 21. September von 14 bis 19 Uhr auf dem Steinplatz in Charlottenburg ein Fest zum Thema Nachhaltigkeit: mit Marktständen und einem großen Bühnenprogramm. Mit dabei werden sein Vertreter der Berliner Wasserbetriebe, der Berliner Verbraucherzentrale, des Bundesverbandes der Entsorger, des Bundesverbandes des Einzelhandels sowie Lehrer aus Neukölln mit „Müllmonstern“.

Vertreter Estlands und Sri Lankas haben ebenfalls ihre Teilnahme zugesagt. Der kleine baltische Staat ist Vorreiter beim World Cleanup Day. Die Inselnation im Indischen Ozean recycelt in großem Stil am Strand gesammelten Plastikmüll.

Anmeldung von Putz-, Pflanz-, Aufräum- oder anderen kreativen Aktionen unter www.wir-berlin.org/Aktionstag.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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