Kampf ums Bürgermeisteramt: Was Naumann und Engelmann unterscheidet
Charlottenburger-Wilmersdorf. Ringen um den Rathausthron: Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) muss sich im Wahlkampf gegen seinem Herausforderer Carsten Engelmann (CDU) wehren. Ein Vergleich.
Das Morgenbriefing bei Facebook, es gehört im Wahlkampf des Jahres 2016 mit dazu. Wer Reinhard Naumann und Carsten Engelmann auf ihren Facebook-Seiten folgt, wird über den Tagesablauf genau unterrichtet sein. Erst wünschen sie ihren rund 550 beziehungsweise 400 Freunden einen sonnigen Start in den Tag. Dann widmet sich jeder seinen Amtsgeschäften.
Neben seiner Zuständigkeit für Personal und Finanzen legt Naumann einen Schwerpunkt auf die ihm unterstellte Wirtschaftsförderung, vermittelt bei Problemen von Kiezhändlern – und hat auch Stärken bei interkulturellen Themen. Ob Stolpersteinverlegung, Kontaktpflege zu christlichen Instanzen oder Austausch mit türkischstämmigen Geschäftsleuten. Naumann liegen solchen Situationen, und er wirkt auch bei Besuchen aus Partnerstädten zugewandt und präsidial. „Pfarrer oder Bürgermeister“, das waren während seiner Kindheit in Charlottenburg-Nord zwei Traumberufe. Seit 2011 lebt Naumann seinen Traum als Rathauschef – aber er weilt auch oft jenseits des Büros. Den Kiezspaziergang an jedem zweiten Sonnabend im Monat lässt er selten aus.
Sachliche Tonart
Engelmann, derzeit stellvertretender Bürgermeister, verantwortet als Stadtrat für Soziales und Gesundheit Ressorts, die in anderen Bezirken heiße Eisen wären. Aber das bürgerlich-weltoffene Charlottenburg-Wilmersdorf verkraftet es vergleichsweise gut, dass es hier wohl die meisten Obdachlosen Berlins zu versorgen gilt. Und dass hier besonders viele und große Flüchtlingseinrichtungen sind. Angesichts solcher Voraussetzungen gelingt Engelmann sein Tagwerk nahezu geräuschlos. Missliebige Bauprojekte empören Nachbarn oft mehr als ein neues Flüchtlingsheim. Selbst Grundübel wie die Drogenszene am Stuttgarter Platz können Engelmann wenig anhaben. Seine ruhige, sachliche Tonart trägt mit dazu bei, dass man den Bezirk eher als wirtschaftsstarken Familienwohnort wahrnimmt denn als Fundort von Drogenspritzen.
Klar abgegrenzt
Im direkten Vergleich der Wahlprogramme finden sich zwischen den Bürgermeisterkandidaten von SPD und CDU viele Gemeinsamkeiten, wie die Forderung nach mehr Wohnungsneubau. Aber es gibt auch Punkte, die für Abgrenzung sorgen.
„Zum Schutz der Mieterschaft“ möchte Reinhard Naumann mit seiner SPD eine Maßnahme umsetzen, die bisher noch nicht zu verwirklichen war: die Ausweisung von Milieuschutzgebieten, um bestimmte Arten von Luxussanierung zu verhindern und Mietsteigerung zu bremsen. Auch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für Alleinerziehende, setzt der Amtsinhaber auf die Agenda. So will Naumann zum Beispiel dafür eintreten, dass Telearbeit in Unternehmen mehr als bisher üblich wird. Speziell für Charlottenburg-Nord gilt der Wunsch, eine Anknüpfung an den „Zukunftsstandort“ Flughafen Tegel herzustellen. Sobald der Airport schließt, will Naumann das nördliche Viertel an den Veränderungen teilhaben lassen, „damit unser Bezirk an den dort entstehenden Arbeitsplätzen partizipiert“.
"Dreck stört jeden"
Neben ähnlichen Schwerpunkten wie der Verbesserung von Bürgerämtern, der Einführung von kostenlosem WLAN in allen öffentlichen Gebäuden oder der Ablehnung von politischem Extremismus setzt Carsten Engelmann eigene Akzente: BSR, Ordnungsamt und Anwohner sollen sich gemeinsam für eine deutliche Verbesserung der Sauberkeit einsetzen. „Dreck und Schmierereien in unserer Stadt stören fast alle“, betont der Kandidat. Beim Verkehr möchte Engelmann mehr Balance finden und die Belange des motorisierten Verkehrs beachtet sehen: "Eine ideologische Benachteiligung des Autoverkehrs wird es mit mir nicht geben.“ Typisch christdemokratisches Denken zeigt der Herausforderer beim Thema Sicherheit. So wirbt er für gemeinsame Streifen von Polizei und Ordnungsamt und mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum.
Engelmann oder Naumann – wer liegt am 18. September mit seiner BVV-Fraktion vorne? Möglicherweise wird diese Frage gar nicht entscheidend sein. Denn erst durch eine Zählgemeinschaft mit einer anderen Fraktion gelangt ein Bürgermeister ins Amt. Die Schlüsselrolle kommt dabei wohl den Grünen zu. Wenn es für sie optimal läuft, könnte man mit ihren Spitzenkandidaten Petra Vandrey und Christoph Wapler sogar selbst den Rathauschef stellen. Allerdings haben die Grünen auf einen klassischen Bürgermeisterkandidaten bewusst verzichtet. tsc
Wer die beiden Bewerber genauer kennenlernen will, kann sich auf ihren Internetseiten informieren: www.naumann-spd.berlin, carsten-engelmann.de.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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