Variante in Schieflage
DEGES-Pläne für das AD Funkturm bereiten Bürgern große Sorgen
Den Verantwortlichen der DEGES blies bei der Präsentation ihrer Umbaupläne für das Autobahndreieck Funkturm heftiger Gegenwind ins Gesicht. Fast 400 Bürger ließen sich am 31. Oktober in der Urania nicht von der Vorzugsvariante „A115 in Mittellage“ überzeugen.
In die Jahre gekommen ist der in den 60er-Jahren gebaute Knotenpunkt östlich des Messegeländes sowieso, dazu ist seine Belastung eine völlig andere als damals. Von 20.000 Fahrzeugen am Tag waren die Planer ursprünglich ausgegangen, heute fahren 230.000 Vehikel am Funkturm vorbei – Tendenz steigend. Der zweifelsfrei zwingend nötige Umbau, vor allem die Brückenkonstruktionen sind marode, möchte die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) nutzen, um die Funktion des Autobahndreiecks zu sichern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. In den Ausfahrten Kaiserdamm Süd, Messedamm und Kurfürstendamm gebe es drei Anschlussstellen (AS) auf sehr kurzer Strecke. Das sei für auswärtige Fahrer verwirrend, die Einfädelungswege seien zu kurz, der gesamte Bereich wegen häufiger Spurwechsel zu unfallträchtig, wie Projektleiter Burkhard Pott erklärte. Gemäß der Vorzugsvariante würde die Anschlussstelle Messedamm aufgehoben und am Beginn der Eichkampsiedlung an die Avus (A115) gelegt werden. Entgegen der schlimmsten Befürchtungen der Anwohner präferiert die Autobahngesellschaft des Bundes immerhin eine Tunnellösung. In einem geschwungenen Bogen liefe die Verlängerung des Messedamms senkrecht auf die A115, über Rampen gelänge der Fahrer auf die Autobahn. Selbige würde zudem verlegt werden und mittig über den Rasthof Avus führen, der geschlossen wird. Aus Perspektive der Stadtentwicklung ein Gewinn, mehrere Hektar Fläche würden frei. Mit dem Umbau wird die Kapaziät des Dreiecks nicht erhöht.
Baubeginn frühestens 2023
300 Millionen Euro kostet das Mammutprojekt der DEGES, als frühester Baubeginn wurde das Jahr 2023 genannt. Bis alles fertig ist, wird das Jahr 2030 geschrieben. Gebaut wird an beiden Autobahnen bei laufendem Verkehr, eine der Behelfsautobahnen für die A100 wird direkt durch die Kleingartenanlage der Westkreuzbrache führen. „Eine bittere Pille für die Kleingärtner“, gab DEGES-Bereichsleiter Andreas Irngartinger zu.
Eichkamp-Siedlung befürchtet mehr Verkehr
Die vielen Anwohner, hauptsächlich wohnhaft in der Eichkamp-Siedlung, äußerten große Bedenken am Umbau. Etwa, dass der Verkehr der A100 – bislang problemlos über die AS Messedamm und dann über die beiden Magistralen Spandauer Damm und Kantstraße in die Stadt geführt – über die Knobelsdorffstraße direkt durch Wohngebiete abfließen könnte. Oder dass die Jafféstraße, Verbindung zwischen dem Messedamm und der Heerstraße, zwar möglicherweise die Kapazität für die von der DEGES prognostizierte drastische Erhöhung ihrer Verkehrsbelastung habe, die weiterführenden Straßen durch die Siedlung oder die Kreuzung mit Heerstraße aber sicher nicht.
"Das muss mir mal einer erklären“
Auch Politiker reihten sich in die Schlange der Kritiker ein. Der Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Gröhler (CDU) gab beispielsweise den zusätzlichen Verkehr zu bedenken, der nach Fertigstellung des Flughafens BER auf das Autobahndreieck zurollen werde. Ein Punkt, an dem ein aufgebrachter Stadtrat Arne Herz (CDU), Leiter des Ordnungsamtes und Bewohner der Eichkamp-Siedlung, nach der Präsentation einhakte: „Wie man eine Autobahn näher an eine Wohnsiedlung heranlegen kann, als sie jemals war, kann ich nicht verstehen. Und Herr Gröhler hat Recht: Alles, was irgendwann einmal vom BER kommt, und zum Zentralen Omnibusbahnhof, zur Messe, zum Olympiastadion oder nach Spandau möchte, fährt nicht mehr beim ICC raus, sondern direkt am Eichkamp vorbei. Das muss mir mal einer erklären.“
Wie steht der Senat dazu?
Vor der Präsentation hatten die Eichkamper mit Plakaten auf ihre Situation hingewiesen. Falk von Moers, im Vorstand des Siedlervereins Eichkamp für Umwelt- und Verkehrsangelegenheiten zuständig, berichtete, erst am 29. Oktober in Staatssekretär Ingmar Streese endlich einen Ansprechpartner bekommen zu haben. „Bis dato hatten wir nicht gewusst, ob der Umbau seitens des Senats nicht schon längst beschlossene Sache ist.“ Im Senat herrsche – wohl zum Glück der Siedler – Uneinigkeit. Die bündnisgrüne Umwelt und Verkehrssenatorin Regine Günther und Streese würden mit der Tunnellösung der DEGES einverstanden sein, Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) würde eine Brückenkonstruktion an gleicher Stelle bevorzugen, um das Gelände des östlich der Avus liegenden ehemaligen Güterbahnhofs zu erschließen.
Waldschulallee als Umfahrung? "Das wäre einfach irre"
Streese war bei der Präsentation zu Gast, positionierte den Senat aber nicht. Weder bezüglich einer Lösung, noch in Vertretung der Bürger – der eigentliche Grund, warum Arne Herz ein wenig in Rage war. „Die Planungen sind sachlich und fundiert, der Mensch wurde aber nicht mitgenommen, ja vergessen. Wenn schon ein Staatssekretär für Verkehr anwesend ist, hätte ich erwartet, dass gesagt wird, was das Land politisch für die Bürger will und was nicht. Das habe ich nicht gehört und das stört mich. Man hätte Andreas Irngartinger bezüglich der Sorgen der Menschen aus der Schusslinie nehmen müssen.“ Was von Planungsseite überhaupt nicht gehe: während der Bauzeit mit der Waldschulallee als Umfahrung zu liebäugeln. „Dort haben wir zahlreiche Schulen und Kitas sowie eine Behindertenwerkstatt. Das wäre einfach irre“, so Herz.
Einer der Eichkamper forderte die beiden DEGES-Vertreter schließlich auf, den Gegenwind zur Kenntnis zu nehmen und alternative Lösungen zu prüfen. Irngartinger: „Das war ja genau das Ziel dieser Auftaktveranstaltung, wir wollen Sie mitnehmen, Ihre Ideen und Einwände berücksichtigen.“ Dazu würden Themenwerkstätten stattfinden. Die erste im Frühjahr 2020. "Wir werden ihn beim Wort nehmen müssen", sagte Herz.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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