100 Jahre Groß-Berlin
In Berlin rollt’s: Die Automobilisierung einer Großstadt

Ein Adler-Wagen mit Reifenpanne am Schloss (1905). | Foto: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer
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  • Ein Adler-Wagen mit Reifenpanne am Schloss (1905).
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Bereits 1769 schnauften die ersten Kraftfahrzeuge mit Dampfantrieb über französische Straßen. 1886 ließ sich Tüftler Carl Friedrich Benz sein vollgummibereiftes Dreirad mit Verbrennungsmotor beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin patentieren. Und mit Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Automobilisierung in Berlin.

Im Sommer 1901 brachen 110 Automobile und zehn Motorräder in Paris zu einem Abenteuer auf. 1200 Kilometer lagen vor ihnen, die in drei Tagen zu bewältigen waren. Das Ziel war Berlin. "Die Veranstaltung war ein Desaster und endete mit einer Bilanz von 28 Toten und 29 Schwerverletzten, was den Veranstalter, den Automobile Club de France, immerhin dazu veranlasste, ein Reglement für zukünftige Autorennen ins Auge zu fassen." So ungefähr beginnt "Abgefahren – Die Automobilisierung in historischen Fotos aus Berlin". Der von Boris von Brauchitsch herausgegebene Bildband ist gefüllt mit Fotografien aus der bpk-Agentur, gepaart mit zahlreichen Anekdoten rund um den Berliner Großstadtverkehr.

Berlin ist ohne Autoverkehr unvorstellbar, zumal das Auto für viele Deutsche mehr als nur ein Statussymbol ist: Es ist ein Identifikationsfaktor. Seit um 1900 die motorgetriebenen Fahrzeuge – Feuerwehren, Krankentransporte, Müllabfuhr, Sprengwagen, Postautos und Autobusse – neben Pferdekutschen und Schienenfahrzeuge die Straße eroberten, schritt auch die Entwicklung des Individualverkehrs rasant voran und trieb teils bizarre Blüten. Erst 1910 legte das erste deutsche Kraftfahrgesetz verbindliche Verkehrsregeln fest, um dem Chaos auf der Straße Grenzen zu setzen. Eine Notwendigkeit angesichts des steigenden Individualverkehres, obwohl die Zahl der Personenkraftwagen noch immer bescheiden war: Noch 1927 waren es deutschlandweit 400 000 und in Berlin weniger als 30 000 Pkw.

Überfällig war 1924 auch das Aufstellen einer Verkehrsampel – die erste in der Stadt – auf dem Potsdamer Platz, denn dieser war längst zu einem der turbulentesten Verkehrsknotenpunkte Europas geworden. Im selben Jahr gründete sich die Deutsche Verkehrswacht, die sich für mehr Sicherheit auf den Straßen engagierte. Schließlich hatte sich die Zahl der Verkehrstoten in Preußen von 223 im Jahr 1910 auf 2376 im Jahr 1927 mehr als verzehnfacht.

Aus der Allee durch den Grunewald von Charlottenburg zum Wannsee war ab 1913 die Avus (Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße) geworden. Boris von Brauchitsch beschreibt sie in seinem Buch "Abgefahren" als "Deutschlands langweiligste Rennpiste, eine lange Gerade mit zwei Wendekurven an ihren Enden". Durch den Weltkrieg unterbrochen, stellte die Aktiengesellschaft Avus-GmbH die mautpflichtige Privatstraße 1921 fertig. Auch diese Geschichte und viele weitere finden in dem reich bebilderten Buch einen Platz. Kenner werden kaum eine Besonderheit zur Berliner Automobilität von einst bis heute vermissen und die eine oder andere Episode neu entdecken. Der kluge Überblick beleuchtet technische und auch politische Entwicklungen, zeigt die Unterschiede in Ost und West. Die Fotos von den verschiedensten Fahrzeugen werden die Herzen von Autoliebhabern höherschlagen lassen. RR

Literatur: "Abgefahren – Die Automobilisierung in historischen Fotos aus Berlin", Herausgegeben von Boris von Brauchitsch, etwa 160 Abbildungen, 144 Seiten, Edition Braus, ISBN 978-3-86228-201-2, 24,95 Euro, www.editionbraus.de.

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Ratgeber-Redaktion aus Mitte

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