Kampferklärung an Fortschrittsbremser: Müller glaubt noch an die BER-Eröffnung 2017
Charlottenburg-Wilmersdorf. Wahlkampf in der wachsenden Stadt: Der Regierende Bürgermeister musste in einer Talkrunde Farbe bekennen zum BER und umstrittenen Bauthemen. Er will nicht von allen gemocht werden, stellt aber klar: Wer rechts von der Mitte wählt, bekommt Stadträte der AfD.
Michael Müller senkt den Kopf. Er zieht ein Gesicht, als habe er eben eine schlechten Scherz gehört. Alles dürfen Bürger ihn fragen. So will es ja das Konzept des Bürgertalks „Füreinander“, eine Veranstaltungsreihe, die ihn durch alle zwölf Bezirke führt. Die Filmbühne am Steinplatz in Charlottenburg gehört nicht zu den Orten, an denen Müller vor BER-Problemen sicher sein kann. Gleich die erste Frage gilt dem Großflughafen. Ein Planer, der früher am Airport Palma de Mallorca mitwirkte, hat sich ins Publikum gesetzt, um den BER anzusprechen, bevor Bürger mit ihren Kiezsorgen kommen. Überall im Raum hört man Raunen und Seufzen.
"Grandios versagt"
„Wir stehen kurz vor dem Durchschlagen des gordischen Knotens“, zeigt SPD-Mann Müller, der nun wieder aufblickt, Zuversicht. Rund drei Monate vor der Wahl will er von einer erneuten Verschiebung der Öffnung von 2017 auf 2018 nichts wissen. Sein Wahlthema sind nicht die Wirren in Schönefeld, sondern die Nöte der wachsenden Stadt Berlin. Und Wachstumsschmerzen fühlt man besonders in Wilmersdorf, wo ein Baudenkmal durch die Nachverdichtung mit Neubauwohnungen Schaden zu nehmen droht. Rainer Brüggemann, Architekturkenner und Anwohner des so genannten Woga-Komplexes am Kurfürstendamm, wirft dem Regierenden vor, dass „Ihre Partei grandios versagt“. Die Zeichen verdichten sich, dass der Investor den Innenhof bebauen darf – und Brüggemann klagt: „Man nimmt uns kritische Bürger nicht wahr.“
"Was machen wir gegen die AfD?“
Nun hat Müller Verständnis für den Einzelfall. Aber verantwortlich fühlt er sich für das große Ganze. „Ihr Interesse ist legitim, aber es gibt in Berlin auch gesamtstädtische Interessen“, verweist er auf den Bedarf an neuen Wohnungen, wobei in der Stadt allerdings an etwa 100 Orten Bauprojekte bekämpft werden. „Wir können nicht immer wieder die gleiche Debatte führen“, sagt Müller. „Das halten wir nicht durch.“
Mal sind es 30 Wohnungen, die Anwohner verhindern wollen, mal 3000. In jedem Fall will der Regierende Bürgermeister zwischen den Einzelinteressen Kompromisse finden. Hinter solch kleinteiligen Verhandlungen gilt es eine Gefahr einzudämmen, die von rechts kommt.
„Was machen wir eigentlich gegen die AfD?“, fragte deshalb auch eine Frau beim Bürgertalk. Und Müller versuchte eine Antwort finden, die zur Stadt passt. „Wir müssen etwas von der Solidarität zurückgeben, die wir als Berliner über Jahrzehnte bekommen haben“, verglich er die Flüchtlingskrise mit der Teilung der Stadt. Man solle versuchen, mit denjenigen Menschen ins Gespräch kommen, die fürchten, zu kurz zu kommen, während der Staat sich um Asylbewerber kümmert. Wer aber AfD wählen will, um SPD oder CDU abzustrafen, schadet sich selbst, meinte Müller. „Plötzlich sitzt dann ein AfD-Politiker im Bezirksamt." Und der könnte als Stadtrat zuständig sein für Jugend und Soziales, warnt der Regierende vor den Konsequenzen.
Es wäre ein fatales Signal für eine Stadt, die derzeit noch mit Leichtigkeit internationale Talente anwirbt. 70 000 Arbeitsplätze seien zuletzt allein im Start-up-Bereich entstanden. Gerade auch am Campus Charlottenburg mit seinem Innovationszentrum „Chic“ leben sie der Stadt vor, wie man neue Werte schafft. „Sie wollen von uns kein Geld, nur Flexibilität“, erklärt Müller. „Man kann Berlin nicht als Smart City bezeichnen – und die Verwaltung arbeitet wie vor 50 Jahren.“ So sollen die Zeiten, da alle Ämter mit unterschiedlichen Computersystemen herumwerkeln, bald vorbei sein. Genau wie das Zeitalter des unvollendeten Großflughafens. Müller erinnert sich am Ende des Talks an den Anfang und bekräftigt erneut: „Wir wollen am BER noch 2016 die Bautätigkeit beenden und nach der Prüfphase im Herbst 2017, dann wollen wir fliegen.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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