Im Hygienecenter der Stadtmission finden Obdachlose Duschen und Toiletten
Charlottenburg. Von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln wohl gepflegt: Das Hygienecenter am Zoo erwartet dieser Tagen den 1000 00. Besucher. Wer der Bahnhofsmission helfen will, spendet ein ganz banales Gut, von dem man hier kaum genug bekommt: saubere Unterhosen.
Die Haare sind noch feucht, seine Brillengläser leicht beschlagen. Alfonso wirft das Handtuch in die Schmutzwäsche, dankt dem Personal mit schüchternem Nicken. Und dann steht er wieder auf der Straße – aber wenigstens frisch geduscht. Macht das einen Unterschied? Alfonso, ein Herr mittleren Alters, obdachlos, höflich und wortgewandt, hat gerade seine erste Dusche in Berlins erstem öffentlichen Badezimmer hinter sich. „Die Qualität ist ausgezeichnet und die Leute haben mich richtig nett behandelt“, beschreibt er, was ihm im Hygienecenter der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten gerade widerfuhr. Bislang musste eine „partielle Reinigung“ des Körpers genügen. Jene leistete sich Alfonso an Orten, die allenfalls zum Händewaschen taugen: In den Toiletten von Fastfoodrestaurants, Hotels und Bibliotheken. „Aber eigentlich“, sagt Alfonso mit leiser Stimme , „eigentlich möchte ich ja niemanden stören.“
Körpergeruch als etwas Unerwünschtes und Körperpflege als etwas Verschämtes und Verstörendes. Das ist der Widerspruch, dem sich Berliner Obdachlose, schätzungsweise 7000 an der Zahl, täglich stellen müssen. Also gab ihnen die Berliner Stadtmission im Dezember 2015 einen Ort, an dem die Würde wiederkehrt mit jedem Toilettengang und mit jeder kostenlosen Dusche. 300 000 Euro zahlte damals die Deutsche Bahn zur Herrichtung des Ortes. Nur im Vatikan existiert ein vergleichbares Hygienecenter wie das am Bahnhof Zoo. Heute lenkt dort Stadtmission-Mitarbeiterin Anna-Sofie Gerth die Geschicke.
Sie kann aus ihrer Statistik herauslesen, dass bald der 1000 00. Gast auf der Badematte steht. „Unser erster Besucher konnte es gar nicht wahrhaben“, erinnert sie sich. „Er konnte nicht glauben, dass man so einen qualitätvollen, sauberen Ort einfach kostenlos nutzen darf.“ Damit es sauber bleibt, wird der Nassbereich nach jeder einzelner Dusche professionell gereinigt und desinfiziert.
Hygiene für Obdachlose bedeutet Aufwand, kostet Zeit, Geld und Nerven. Täglich von 10 bis 18 Uhr leistet sich die Stadtmission ihren Service. Jede zusätzliche Stunde würde aufs Jahr gerechnet rund 200 00 Euro kosten, rechnet Gerth vor. Einen Sponsor für die Bonusstunde suchte man bisher vergeblich.
Maximal 30 Minuten dauert das Glück, sich den Straßenschmutz vom Leib zu waschen. Im Winter bringt heißes Wasser Erholung vom ewigen Frieren, im Sommer schützt das kühle Nass vor dem Kreislaufkollaps.
Und hinterher, da gibt es für jeden Duschgast saubere Wäsche. Für Obdachlose ein Segen. Für die Bahnhofsmission ein kleines Problem. Denn die Vorräte an Slips können die Nachfrage kaum decken. „Gefragt sind saubere Herrenschlüpfer in allen Größen“, bittet Gerth um Spenden. Auch Hygieneartikel, Deos oder gar Parfums sind gefragte Spendengüter. „Wenn jemand sein Eau de Toilette nicht mehr mag, kann er es uns gerne geben“, so die Hausherrin.
Im Hygienecenter arbeiten ehrenamtliche Helfer und Profis daran, dass Obdachlose Klischees vom stinkenden „Penner“ Lügen strafen können. Ob man sich nur abduscht oder sich zum kostenlosen Haareschneiden in den „Salon Franziska“ setzt, entscheidet die Tageslaune. Selbst die Fußpflege steht mindestens einmal im Monat auf dem Programm – dem Sponsoring der Freimaurerloge sei Dank. Die untersten Körperteile sind bei den Gästen oft am heftigsten geschunden und haben heilsame Eingriffe besonders nötig.
Auch Bürger ohne Blessuren und grobe Nöte dürfen das Hygienecenter übrigens bedenkenlos betreten. Die Toiletten des Hauses, betont Gerth, sind stets geputzt. Und für jeden nutzbar, den ein kleines oder großes Bedürfnis plagt. Wenn sich Obdachlose und -habende dann auf dem gefliesten Gang des Hygienecenters begegnen, wäre das noch eine Steigerung dieser sauberen Idee. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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