Dokumentieren, konservieren und aufbewahren
Landeskonservator Christoph Rauhut bewahrt Vergangenes und gestaltet so die Zukunft mit

Christoph Rauhut ist seit 2018 Berlins oberster Denkmalschützer. In seinem Büro steht Hocneckers runder Konferenztisch aus dem Staatsratsgebäue am Schlossplatz. | Foto: Dirk Jericho
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Christoph Rauhut leitet seit Oktober 2018 das Landesdenkmalamt. Von seinem Bürofenster im Alten Stadthaus am Molkenmarkt kann er den Archäologen zuschauen, die Spuren aus der Gründungszeit Berlins im 13. Jahrhundert freilegen. Beim Interview mit Berliner-Woche-Reporter Dirk Jericho spricht Christoph Rauhut über spektakuläre Funde und neue Denkmale.

Im Januar haben Archäologen einen mittelalterlichen Bohlendamm in der Stralauer Straße freigelegt. Die Bäume dafür wurden 1238 gefällt. Wird die historische Straße gerettet?

Christoph Rauhut: Der Bohlenweg ist wirklich eine Sensation. Der Weg ist über 60 Meter lang und sechs Meter breit. Wegen des Straßenumbaus wird ein Teil aus dem Boden genommen. Ein sechs mal sechs Meter großes Stück wollen wir als Ganzes sichern. Das wird restauriert und konserviert und soll ausgestellt werden. Wo genau, überlegen wir noch. Auch die restlichen Bohlen werden aufbewahrt und kommen ins Depot. Sie werden aber nicht so aufwendig konserviert wie das Quadrat.

Sie sind Berlins oberster Denkmalschützer und als Landeskonservator oberster Geschichtsbewahrer. Berlin ist 800 Jahre alt. Wie viel Geschichte braucht eine Stadt?

Christoph Rauhut: Berlin besteht aus vielen Geschichten, die zusammen die Geschichte der Stadt erzählen können. Man braucht also alle Schichten, sonst fehlt etwas. Zu Berlin gehören das Mittelalter, Glanz und Gloria von Preußen, die Weimarer Republik mit ihren Gebäuden, Zeugnisse der Architektur des Nationalsozialismus, DDR und der Sonderfall West-Berlin bis hin zu den Wendejahren. Die meisten Denkmale stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Archäologen des Landesdenkmalamtes machen immer wieder spektakuläre Funde wie den Bohlendamm oder die Grundmauern der Lateinschule am Petriplatz. Kann man denn alles konservieren und aufheben?

Christoph Rauhut: Alles, was von Bedeutung sein könnte, heben wir zunächst auf – auch den Bohlendamm. Bauliche Strukturen werden dokumentiert und – wenn möglich – vor Ort erhalten. Bedeutende Funde von Münzen bis Knochen werden aufbewahrt. Das Landesdenkmalamt hat gemeinsam mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte ein riesiges Depot am Westhafen. Die Funde sind für die Forschung und werden auch für Ausstellungen herausgeholt.

Eine Attraktion wird das geplante Archäologische Haus am Petriplatz.

Christoph Rauhut: Hier kann man ab 2024 in Schauwerkstätten hautnah erleben, wie Archäologen arbeiten. Es ist gebaut über den Fundamenten der Lateinschule, die als Ausgrabung präsentiert werden. Die Mitarbeiter restaurieren dort live die zahlreichen Funde, die wir immer wieder vor allem in der Mitte machen.

Gibt es für Sie bei den rund 8000 eingetragenen Bau-, Kunst-, Garten- und Bodendenkmalen so etwas wie ein Lieblingsdenkmal?

Christoph Rauhut: Alle Denkmale müssen mir gleich wichtig sein. Aber es gibt natürlich solche Objekte, mit denen man sich intensiv befasst und um deren Erhalt ich kämpfe. Dazu gehören das ICC und der Mäusebunker in Steglitz am Hindenburgdamm. Das Tierversuchslabor der Charité wollen wir unter Denkmalschutz stellen. Am meisten ärgern mich leere Denkmale wie das ICC oder das Oberstufenzentrum Wedding an der Putbusser Straße. Die schwierigen Fälle aktuell sind die Denkmale der Nachkriegsmoderne. Diverse Bauten dieser Zeit werden nicht mehr genutzt. Gleichzeitig sind sie in der breiten Öffentlichkeit noch nicht als so bedeutsam anerkannt. Da sehe ich meine besondere Aufgabe, mich zu engagieren. Das herausfordernde als Denkmalpfleger ist, heute über Vergangenes zu sprechen und zu entscheiden – im Wissen, dass die Zukunft über diese Entscheidungen mitgestaltet wird.

Wie steht es um die Bewerbung für das Welterbe der denkmalgeschützten Ensembles der Nachkriegsmoderne an der Karl-Marx-Allee im Osten und der Interbau 1957 im Westen?

Christoph Rauhut: Im vergangenen Jahr haben wir den Vorschlag für die erste Auswahlstufe eingereicht. Wenn wir diese nationale Phase 2023 positiv abschließen, arbeiten wir den Antrag weiter aus und reichen das bei der Unesco für die Welterbeliste ein. Wir organisieren auch Veranstaltungen für die Bürger zu diesen einzigartigen Städtebauensembles der Nachkriegsmoderne mit grünen Stadtlandschaften. Information und Partizipation an diesem Prozess sind uns wichtig.

Christoph Rauhut ist seit 2018 Berlins oberster Denkmalschützer. In seinem Büro steht Hocneckers runder Konferenztisch aus dem Staatsratsgebäue am Schlossplatz. | Foto: Dirk Jericho
Christoph Rauhut (Jahrgang 1984) studierte Architektur in Aachen und Zürich und promovierte am Zürcher Institut für Denkmalpflege und Bauforschung. Seit 2018 ist er Berlins oberster Denkmalschützer. | Foto:  Dirk Jericho
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Dirk Jericho aus Mitte

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