Fluchttunnel, Leni Riefenstahl und eine Diva in der Grotte
Neue Stadtführung östlich der Karl-Marx-Straße

Immer der Blume nach: die rote Gerbera ist Reinhold Steinles Markenzeichen, wenn er durch den Kiez führt. | Foto: Corina Niebuhr
2Bilder
  • Immer der Blume nach: die rote Gerbera ist Reinhold Steinles Markenzeichen, wenn er durch den Kiez führt.
  • Foto: Corina Niebuhr
  • hochgeladen von Corina Niebuhr

Wenn es um Neukölln geht, gibt der gebürtige Schwabe Reinhold Steinle alles: Er wühlt sich monatelang durch Archive, stöbert in Antiquariaten, durchsucht Hunderte alter Postkarten und plaudert mit Zeitzeugen – immer auf der Suche nach spannenden, außergewöhnlichen Geschichten aus den Kiezen Neuköllns.

Und er findet erstaunlich viel: Seine neueste 90-minütige Stadtführung „Östlich der Karl-Marx-Straße“ ist schon die achte ihrer Art aus Neukölln, die Reinhold Steinle seit 2008 konzipiert und gestaltet hat. Mittlerweile hat er in seiner Schöneberger Wohnung ein paar hundert Bücher, unzählige Postkarten und Landkarten gestapelt – alle handeln vom Zeitgeschehen in Neukölln, zeigen Menschen, Bauwerke, Parks oder das Stadtleben von früher.

„Für das Konzipieren der jetzige Tour habe ich über ein Jahr gebraucht, diesmal ging es zäh voran“, sagt Steinle und lächelt. Das wird man der Tour nicht anmerken, denn Steinle blättert in einem Café neben dem Neuköllner Rathaus durch seinen Ordner mit Plastikfolien voller beeindruckender alter Fotografien, Ausschnitte von Landkarten und Kopien alter Zeitungsartikel. „Östlich der Karl-Marx-Straße“ heiße die Tour, die am Samstag, 22. Juni, um 14 Uhr erstmals startet, etwas sperrig, so Steinle. Treffpunkt ist vor dem Brunnen am Rathaus Neukölln, der auch gleich die erste Geschichte sein wird. Der charmante Stadtführer beginnt zu erzählen: „Der sieht zwar alt aus, ist aber schon der dritte Brunnen vor dem Rathaus an diesem Ort.“ Lustigerweise seien die Vorgänger viel moderner gewesen. Steinle zeigt auf Fotos, dass diese im Stil der Fünfziger- beziehungsweise Siebzigerjahre daherkamen.

Schneller in den Westen

Vom Rathaus aus führt die Tour bis nach Treptow zum ehemaligen Mauerstreifen in der Heidelberger Straße, wo es in den ersten Mauerjahren erstaunlich viele Fluchttunnel gab. „Das lag daran, dass die Mauer sozusagen auf dem Mittelstreifen der Heidelberger Straße verlief und der Abstand bis zu den Häusern auf beiden Seiten verhältnismäßig kurz war“, erzählt Steinle weiter. Die Fluchtwilligen konnten so kürzere Tunnel graben als anderswo, zudem sei die Erde gut zu buddeln gewesen.

Ein anderes Highlight der Tour wird das Gelände der ehemaligen Geyer-Werke an der Harzer Straße sein – ein Urgestein der Berliner Filmgeschichte. Im Jahr 1911 gegründet, galt es über Jahrzehnte als das Kopierwerk der deutschen Kinogrößen: vom Stummfilm über Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm „Triumph des Willens“ bis hin zu Rainer Werner Fassbinders Meisterwerken oder neueren Blockbustern wie Matrix – alle wurden auf dem Gelände kopiert. 2013 war dann endgültig Schluss. „Der Ort war als Drehort in der aktuellen Serie Babylon Berlin zu sehen“, erzählt Reinhold Steinle. Damals, als die Riefenstahl ihre NS-Propaganda zusammenschnitt, habe man eigens für sie und ihr Team mehrere Räume auf dem Gelände errichten lassen. Heute sollen dort Wohnungen entstehen.

Tropische Wasserpflanze

Auch zum Wildenbruchplatz hat der Stadtführer so einiges aufgestöbert. Dort gab es in der Grotte eine ganz eigenwillige Diva, für die extra eine Warmwasserleitung vom Pumpwerk 1 zur Grotte verlegt wurde: Viktoria regia. „Eine Wasserpflanze aus dem Amazonasgebiet, die es wirklich warm brauchte“, so Steinle. Er zückt ein Foto. „Schauen Sie mal, ist das nicht lustig: Auf dem riesigen Blatt konnte sogar ein Baby im Wasser treiben.“

Wer an der Führung teilnehmen möchte, meldet sich unter der Rufnummer 857 323 61 oder reinhold_steinle@gmx.de an. Kurzentschlossene können auch einfach kurz vor 14 Uhr zum Treffpunkt kommen: dem Brunnen am Rathaus Neukölln. Die Teilnahme kostet 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. Reinhold Steinle zieht bei jedem Wetter los, verspricht er: „Es gibt keine Ausreden.“

Immer der Blume nach: die rote Gerbera ist Reinhold Steinles Markenzeichen, wenn er durch den Kiez führt. | Foto: Corina Niebuhr
Wer hätte das gedacht: Der Brunnen vor dem Rathaus kommt alt daher - in den Fünfziger- und Sibzigerjahren standen dort aber schon zwei erstaunlich moderne Vorgänger.  | Foto: Corina Niebuhr
Autor:

Corina Niebuhr aus Kreuzberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 763× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 782× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 473× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 923× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.855× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.