"Viel zu dünn und unkonkret"
Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf kritisiert Masterplan City West

Wie soll sich die City West entwickeln? Dafür gibt es viele Ideen, aber auch viel Kritik. Nun bahnt sich neuerlicher Streit an.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Wie soll sich die City West entwickeln? Dafür gibt es viele Ideen, aber auch viel Kritik. Nun bahnt sich neuerlicher Streit an.
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Der Masterplan des Senats für die City West soll noch vor der Berlin-Wahl im September durchs Abgeordnetenhaus. Doch der Bezirk macht da nicht mit. Das Beratungsverfahren sei viel zu kurz und der Konzeptentwurf eher schlecht als recht, lautet die Kritik.

Sechs Seiten lang ist der einstimmige Bezirksamtsbeschluss zum „Masterplan City West“. Sechs Seiten nüchterne Kritik, aber brisant genug, um den Masterplan zu kippen. Denn das erwartet das Bezirksamt vom Senat: „Eine klare Ansage, das Verfahren zu stoppen.“ Baustadtrat Oliver Schruoffenegger (Grüne) spricht Tacheles. Zu groß ist die Enttäuschung über den Entwurf des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes City West.

„Wir sitzen hier nicht als beleidigte Leberwurst"

Den hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen einige Tage zuvor bei einer digitalen Diskussionsveranstaltung im Detail vorgestellt. Doch Schruoffenegger ist das Papier ob der gesamtstädtischen Relevanz “viel zu dünn“, da brauche es „noch ganz viel Diskussion“. Darum hat der Stadtrat mit seiner Vorlage das Bezirksamtsvotum erwirkt – für die nächste Beratungsrunde im Rat der Bürgermeister und als Signal an Senat und Abgeordnetenhaus. Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) stellt beim Pressegespräch aber auch klar: „Wir sitzen hier nicht als beleidigte Leberwurst. Aber wir wollen, dass das Dialogverfahren noch vor einem Beschluss im Abgeordnetenhaus erneut aufgenommen wird.“

Bürgerbeteiligung wurde bis 20. Juni verlängert

Womit der Bürgermeister einen der vielen Kritikpunkte anspricht. So wirft das Bezirksamt dem Senat vor, besagten Entwurf nach nur vier Wochen Beteiligungs- und Dikussionsphase mit einer Onlineveranstaltung und Stellungnahmen auf mein.berlin.de beschließen zu wollen. Angesichts der Bedeutung dieses Themas für die Entwicklung der westlichen Innenstadt in den nächsten 20 Jahren sei diese Beteiligung „absolut unzureichend“. Zumal Senatsbaudirektorin Regula Lüscher etwas ganz anderes versprochen habe, nämlich eine umfassende Beteiligung. „Rückblickend sind diese Versprechen aus meiner Sicht nicht eingelöst worden“, sagt Naumann. Auch habe der Senat die bezirkseigene Entwicklungsplanung für die City West in seinem Entwurf nicht berücksichtigt.

Dies sieht wohl mittlerweile auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen so und hat am 19. April entschieden, die Bürgerbeteiligung "aufgrund des großen Interesses und der Diskussion um das Projekt" auf insgesamt neun Wochen zu verlängern und zwar bis zum 20. Juni.

Inhaltlich ist das Konzept aus Sicht des Bezirksamtes viel zu unkonkret. „In der City West stehen neben dem Erhalt der funktionalen und sozialen Mischung wichtige Veränderungen an“, sagt Schruoffenegger und nennt mit grüner Mobilität und Klimaanpassung Beispiele.

Handel und Gewerbe vernachlässigt

Wenig nachvollziehbar bleibt für das Bezirksamt auch, dass die thematischen Schwerpunkte Freizeit, Tourismus, Handel, Einzelhandel und die Profilierung der City West als Arbeits- und Bürostandort aus dem ersten Leitbild von 2009 nicht mehr vertiefend aufgenommen wurden. Es fehle zudem an konkreten Vorschlägen, wie kleinteiliges Gewerbe in Erdgeschossen, Start-ups oder Unistandorte gefördert werden sollen, wenn es in der City West keine preisgünstigen Flächen oder Mieten gibt. Das hatte Schruoffenegger bereits bei der digitalen Diskussionsveranstaltung angemahnt. Denn diese Frage stellt sich für den Stadtrat auch bei öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken, Bürgerämtern oder Kitas.

Hochhäuser sind nicht vorgesehen

Nicht d’accord geht man im Rathaus auch mit dem Hochhauskonzept als Teil des Masterplans. Die Kritik: Hochpunkte werden in einem Großteil der Gebiete in der City West ausgeschlossen. Konkret heißt es dazu im Bezirksamtsbeschluss: „Die jetzige Planung einer massiven Verdichtung nördlich und nordwestlich vom Bahnhof Zoo bei weitgehend ausbleibender Verdichtungsperspektive in den zentralen Bereichen der City West gefährdet den Versuch, den zentralen Kern der City West zu stärken und mehr Publikum dort hinzuziehen, um dem Einzelhandel eine breitere Basis zu schaffen und damit gegen die zunehmende Konkurrenz des Onlinehandels zu stärken.“

Laut Entwurf, den Manfred Kühne von der Senatsverwaltung bei der Diskussionsrunde vorgestellt hatte, eignen sich der Universitätscampus Süd, die Hertzallee Nord und Süd sowie der Bereich um die Kurfürstenstraße zwischen Olof-Palme-Platz und Urania für neue Hochhäuser. Auch die östliche Hälfte des Europa-Center-Blocks entlang der Nürnberger Straße wäre laut Kühne eine Option.

Nicht empfehlenswert seien dagegen das Denkmalensemble Ernst-Reuter-Platz, der Savignyplatz und Lützowplatz sowie der Bereich am Bikini-Haus und direkt am Europa-Center.

Baut Signa in die Höhe?

Auch am Breitscheidplatz sollen außer den zwei bereits vorhandenen Hochhäusern Upper West und Zoofenster/Waldorf Astoria keine weiteren Wolkenkratzer entstehen. Südöstlich des Breitscheidplatzes liegt das Gebiet der städtebaulichen Erhaltungsverordnung Kurfürstendamm, das dem Schutz der vorhandenen historisch geprägten Baustruktur dient. Neue Hochhäuser schließt der Senat deshalb dort aus. Allerdings will die Signa-Gruppe nur einen Steinwurf vom Breitscheidplatz entfernt ein Immobilienprojekt realisieren – verabredet mit dem Senat im „Letter of Intent“, um die meisten Filialen der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof zu retten. Die moderate Hochhausbebauung hat das Berliner Baukollegium inzwischen empfohlen. Auch die Abrissgenehmigung soll dem Investor bereits erteilt worden sein. Ursprünglich wollte Signa auf dem Karstadt-Areal am Ku’damm drei Hochhaustürme bauen.

„Charta 2040“ nicht berücksichtigt

Kritik am Verfahren kommt auch vom „WerkStadtForum“, das sich ebenfalls für eine „nachhaltige, soziale und klimafreundliche Weiterentwicklung“ der City West einsetzt und mit der „Charta 2040“, wie berichtet, ein eigenes Konzept vorgelegt hat. Dass die Charta als Leitbild nicht in das öffentliche Beteiligungsverfahren eingeflossen ist, moniert das Bündnis in einem offenen Brief an den Senat: „Wir sind davon ausgegangen, dass unsere Erkenntnisse und Ergebnisse, die wir in einem umfassenden Prozess mit einer Vielzahl an politischen und gesellschaftlichen Akteuren erarbeitet und in der Charta City West 2040 formuliert haben, gleichberechtigt berücksichtigt werden.“ Politisch sei der Alleingang des Senats sehr enttäuschend. Das Bündnis, zu dem unter anderem der Bezirk, die AG City, der Zoo und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde gehören, schlägt beispielsweise 20 000 neue Wohnungen, Mobilitäts-Hubs, die Umwandlung des Ku’damms in eine grüne Flaniermeile und Hochpunkte rund um den Breitscheidplatz vor.

Bürger haben bis einschließlich 20. Juni 2021 die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben und am Online-Dialog teilzunehmen. Alle Informationen hierzu unter https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/projekte/citywest/ den Link zur Beteiligung auf meinBerlin.de unter https://mein.berlin.de/projekte/entwicklungskonzept-city-west/.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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