Kein Anstieg, keine Entwarnung
Fälle von häuslicher Gewalt haben sich bislang nur verändert

Gute sechs Wochen dauert die Corona-Krise bereits an. Quarantäne, Kurzarbeit, keine Arbeit, keine Schule und kein Kindergarten – Faktoren die für Spannung zwischen Paaren und Familien sorgen, die sich – so die Befürchtung von Experten – gerne in häuslicher Gewalt entlädt. Auch im Bezirk?

Familienstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD), in deren Ressort das Jugendamt fällt, spricht von „keinem signifikanten Anstieg von Fällen der Kindeswohlgefährdung“. Allerdings richte man sich mental und personell darauf ein, dass das nicht so bleiben muss. „Während der Corona-Krise reißt ja der Kontakt zu bekannten Problemfällen meist ab. Hinweise auf mögliche Misshandlungen kommen in der Regel von Erzieherinnen oder Lehrern. Die Einrichtungen machen ja aber gerade erst wieder auf, da könnte also noch etwas nachkommen." Was festzustellen sei: „Die Beratungsfälle sind deutlich komplexer geworden.“ Als Anlaufstelle empfiehlt die Stadträtin die Caritas an der Pfalzburger Straße 18 sowie die Erziehungs- und Familienberatung des Bezirksamtes.

„22 Jahre verheiratet, nie ist etwas vorgefallen. Weil sie sechs Wochen aufeinander saßen und sich dabei gewaltig auf die Nerven gegangen sind, hat ein Mann beschlossen, seiner Frau heftig ins Gesicht zu schlagen“, berichtet Sozialstadtrat Detlef Wagner (CDU) von einem Fall, der sich tatsächlich zugetragen hat. Er hat einen Überblick über die Fälle häuslicher Gewalt, die sich Erwachsene zufügen. „Auffällig ist, dass die Polizei häufiger wegen lauter Streitigkeiten in Wohnungen ausrücken muss, es aber deshalb nicht zu mehr Anzeigen kommt.“ Das sei wohl auf die Anzeigefreude der Nachbarn in dieser Zeit zurückzuführen. Tatsächliche Fälle von Gewalt kämen zwar nicht häufiger vor. „Dafür hat sich ihre Qualität verändert, wie in dem geschilderten Fall. Sie sind brutaler geworden.“

Und noch eine unschöne Veränderung stünde zu befürchten, sagt Wagner. Dabei bezieht er sich auf Angaben seines Leiters des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Gernot Lienert. „Das Angebot in Betreuungseinrichtungen für psychisch kranke Menschen fehlt. Patienten sind medikamentös nicht mehr richtig eingestellt. Negative Eigenschaften wie etwa Aggressivität werden wieder sichtbar. Bis sie sich einschleichen, dauert es länger als sechs Wochen. Mit solchen Fällen werden wir es also erst noch zu tun bekommen.“

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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