"Es gibt viele drängende Themen"
Interview mit Rathauschefin Kirstin Bauch

Kirstin Bauch will Menschen begeistern und motivieren. Im Bezirk ist die 41-Jährige die erste grüne Bürgermeisterin. | Foto: Ulrike Kiefert
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Kirstin Bauch ist die erste grüne Bürgermeisterin im Bezirk. Die Sozialwissenschaftlerin ist 41 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert spricht sie über Aufgaben und Ziele, und wie sie den Bezirk auf die Zukunft vorbereiten will.

Was haben Sie als neue Chefin im Rathaus in den ersten Wochen gelernt?

Kirstin Bauch: Dass ich hier mit einem guten Team arbeiten kann und wir gemeinsam für den Bezirk etwas erreichen wollen. Ich habe viele Gespräche geführt und erste Einrichtungen besucht. Es gibt viele, auch drängende Themen, ich glaube, man kann viel anstoßen und bewirken.

Wie würden Sie sich jemandem beschreiben, der Sie noch nicht kennt?

Kirstin Bauch: Ich bin jemand, der inhaltlich etwas bewegen will, der sehr kommunikativ und führungsstark ist. Ich kann Menschen gut hinter mir versammeln und glaube, sie auch motivieren und begeistern zu können. Nicht mit strenger Disziplin, sondern im gedanklichen Austausch, der Freiraum für Ideen lässt. Und die brauchen wir für den Bezirk.

Als erste grüne Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf haben Sie den Klimaschutz zum obersten Ziel erklärt. Schaut man zurück, scheint der Bezirk hier vergleichsweise großen Nachholbedarf zu haben. Zum Beispiel bei Radwegen, Kiezblocks oder ökologischem Bauen.

Kirstin Bauch: Tatsächlich ist unsere Verwaltung auf diese übergroße Aufgabe kaum vorbereitet. Es fehlen die Ressourcen wie Geld und Personal. Trotzdem stehen wir schon jetzt einigermaßen gut da. Bei Photovoltaikanlagen auf Bezirksgebäuden zum Beispiel. Was wir aber mehr brauchen, sind klimaresiliente Räume, also autofreie Kieze, umgewidmete Parkplätze und begrünte Straßen. Es geht darum, an vielen Orten die Aufenthaltsqualität zu verbessern, etwa am Breitenbachplatz oder am Bundesplatz. Für neue Grünflächen haben wir dagegen kaum Platz. Darum wollten wir den Westkreuzpark zu einer naturnahen öffentlichen Parkanlage gestalten, sind aber leider vor dem Landgericht Berlin mit unserem Vorkaufsrecht gescheitert. Wir brauchen auch mehr Fahrradwege, ja. An der Kantstraße wollen wir deshalb den Pop-up-Radweg verstetigen. Die sogenannte Opernroute soll bis Jahresende fertig sein, an der Wexstraße planen wir eine Protected Bike Lane, und die südliche Fasanenstraße soll zur Fahrradstraße werden.

Was ist mit Kiezblocks?

Kirstin Bauch: Diesen Begriff benutze ich ungern, weil er unverständlich ist. Ich spreche lieber von Verkehrsberuhigung. Parklets, Einbahnstraßenregelungen und Tiefgaragen sind hier wirksame Maßnahmen. Verkehrskonzepte gibt es bereits. Für den Klausenerplatz-Kiez und den Karl-August-Platz. Den Autoverkehr aus Innenstadtbereichen wie der City West komplett rauszunehmen, das geht meiner Meinung nach nicht. Wir müssen den Wirtschaftsverkehr und die Rettungsfahrzeuge mitdenken. Wenn wir zum Beispiel den Kurfürstendamm für Autos schließen, um ihn als Boulevard wieder attraktiv zu machen, besteht die Gefahr, dass der Verkehr in die Nebenstraßen ausweicht. Wir müssen also die Nachteile abwägen und in kleinen Schritten beginnen.

Der Bezirk hat bis heute keinen Klimaschutzbeauftragten.

Kirstin Bauch: Ja, dafür haben wir in der letzten Legislaturperiode ein Klimaschutzcontrolling in der Verwaltung eingeführt. Das heißt, jede geplante Maßnahme wird auf ihre möglichen Folgen fürs Klima und die Umwelt hin überprüft, Egal, ob beim Bauen, Verkehr, Stadtgrün oder öffentlichen Anschaffungen. Wenn sich alle Ressorts hier selbst sensibilisieren, finde ich das sinnvoller, als eine einzelne Person damit zu beauftragen. Ich werde aber trotzdem dafür einstehen, eine solche Stelle, so schnell es geht, finanzieren zu können und auch zu besetzen.

Stichwort Doppelhaushalt 2022/23. Wegen der Sparvorgaben des Senats hat der neue Bezirkshaushalt ein Minus von rund 7,6 Millionen Euro. Ist der Bezirk damit überhaupt gestaltbar?

Kirstin Bauch: Die Haushaltsberatungen waren schwierig und forderten einen Großteil meiner Zeit. Unser Haushaltsentwurf liegt der Senatsfinanzverwaltung inzwischen vor, er ist verfassungskonform, und Ende Juni erwarten wir das Okay vom Abgeordnetenhaus. Das Haushaltsdefizit sind sogenannte pauschale Minderausgaben, die nach dem Berliner Haushaltsrecht in Höhe von einem Prozent gemessen am Gesamthaushalt möglich sind, die wir aber noch im laufenden Haushaltsjahr einsparen müssen. Was schwer wird, denn wir sind kaum in der Lage, zum Beispiel die Energiekosten für unsere eigenen Gebäude zu finanzieren. Die Stadträte werden in ihren Ressorts sparen und schauen, wo Einnahmen erhöht werden können. Beim Personal, etwa im Gesundheits- oder IT-Bereich, werden wir kaum aufstocken können. Worauf wir noch hoffen, ist mehr Geld vom Land Berlin aus dem höheren Steueraufkommen.

Sie wollen auch die Verwaltung digitalisieren. Es ist ja bekannt, dass beispielsweise Bauanträge immer noch per Hauspost zur Prüfung an die zuständigen Ämter verschickt werden.

Kirstin Bauch: Da habe ich zusammen mit den Bezirksamtskolleginnen und -kollegen erste kleine Schritte auf den Weg gebracht. Wir haben die Sitzungsunterlagen digitalisiert, und ein erstes Projekt zur Einführung der E-Akte für die Verwaltung ist am Start. Tatsächlich sind die Bauanträge mit ihren teils großformatigen Anhängen ein spezielles Problem. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Rathaus können zudem jetzt mit einem Laptop arbeiten, wenn sie wollen. Im Homeoffice oder flexibel an anderen Arbeitsplätzen als nur dem eigenen. Da geht noch mehr, auch um die Raumnot im Rathaus zu entspannen. 2029 rollt eine große Pensionierungswelle auf uns zu und jüngere Menschen kommen nach. Auch das ist eine Chance für eine modernere Verwaltung.

Seit 2011 ist das Büro für Bürgerbeteiligung im „Aufbau“. Warum dauert das so lange?

Kirstin Bauch: Bürgerbeteiligung ist gesetzlich vorgeschrieben und die Verwaltungseinheit besteht auch schon. Aber nur, weil wir noch kein Außenbüro dafür haben, heißt das nicht, dass wir die Bürgerinnen und Bürger nicht beteiligen. Im Gegenteil, Bürgerbeteiligung ist mir ein großes Anliegen. Schließlich soll jeder wissen, was vor seiner Haustür passiert. Das Bürgerbüro sollte deshalb eine von der Verwaltung unabhängige Anlaufstelle sein. Und die schreiben wir gerade für einen freien Träger aus. Auch sollte das Büro nicht im Rathaus sitzen, sondern draußen bei den Menschen im Kiez.

Im Bezirk wurden zwischen 2014 und 2020 rund 6400 neue Wohnungen gebaut, darunter jedoch keine einzige Sozialwohnung. Werden die hier nicht gebraucht?

Kirstin Bauch: Doch natürlich, bezahlbare Wohnungen fehlen vor allem für Familien. Das Problem ist nur, dass wir für Neubauten kaum eigene Flächen haben. In der Arcostraße, Pulsstraße und in der Pascalstraße bauen Degewo und Gewobag gerade rund 280 neue Sozialwohnungen. Mit privaten Investoren schließen wir als Bezirk städtebauliche Verträge ab, damit die soziale Infrastruktur garantiert ist. Also auch Kitas oder neue Schulen gebaut werden.

Sie selbst wohnen mit Ihrer Familie in Zehlendorf.

Kirstin Bauch: Ja, weil wir eben weder in Charlottenburg noch in Wilmersdorf eine passende Wohnung für eine große Familie gefunden haben, mussten wir vor ein paar Jahren aus dem Bezirk wegziehen.

Was wollen Sie in fünf Jahren auf jeden Fall erreicht haben?

Kirstin Bauch: Da fällt mir so einiges ein. Die Lebensqualität der Bürger verbessern. Ich will unseren Dienstkräften mehr Schulungen anbieten und in die Fortbildung der Führungskräfte investieren, damit alle gern bei uns arbeiten und uns treu bleiben. Ich will die Stadtteilzentren und die Präventionsarbeit in den Bereichen Jugend und Soziales stärken, indem wir als Verwaltung stärker in den Sozialräumen sind. Die Wirtschaft zu fördern, ist mir besonders wichtig. Unser Bezirk soll zum Schaufenster der Zukunftsideen werden. Dafür brauchen wir mehr Experimentierräume, um etwas auszuprobieren, selbst wenn es am Ende vielleicht scheitert. Es geht heute nicht mehr darum, Immobilien mit maximaler Rendite zu verkaufen, sondern darum, den Raum gemeinsam und nachhaltig zu gestalten. Ich denke da auch an verschiedene Konsumstile, die durchaus vereinbar sind. Der Luxusdesigner neben dem esoterischen Yoga-Lehrer, warum nicht?

Wo ist Ihr Lieblingsort im Bezirk, wo trifft man Sie?

Kirstin Bauch: Mein Lieblingsplatz ist die Brache am S-Bahnhof Westkreuz. Dort spaziere ich gern hindurch. Man geht durch eine kleine Tür und steht plötzlich an einem verwilderten Ort. Ein schönes Fleckchen, um zu entspannen.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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