Entsteht auf der Mierendorffinsel eine West Side Gallery?

Eine moderne Sehenswürdigkeit? Noch sind die Mauerbögen am Spreebord weit davon entfernt, als West Side Gallery Ruhm zu erlangen. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg. Die East Side Gallery in Friedrichshain ist nicht irgendein Stück Mauer. Und die Betonwand am Charlottenburger Spreebord nicht irgendeine Uferbefestigung. Jetzt begann der Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung am Südufer der Mierendorffinsel. Entscheiden sollen die Bürger.

Zwei Mauern, zwei sehr unterschiedlicheOrtsteile, eine Idee: Den tristen Beton als Oberfläche für Wandbilder nutzen, das gelingt an der East Side Gallery so mustergültig, dass kein trendbewusster Tourist die Abfolge von Werken verpassen möchte. Der Bruderkuss von Breschnew und Honecker – ein Muss. Das bürgerliche Charlottenburg wiederum hat in seiner Liste von Sehenswürdigkeiten wenig, was in die Richtung eines Anziehungspunkts für jüngere Kunstfreunde ginge, obschon die Street Art-Inszenierung an der Abhörstation auf dem Teufelsberg vermuten lässt, dass es dafür Potenzial gibt. Charlottenburg hat am Spreebord mit den Betonbögen östlich der Caprivi-Brücke aber immerhin – eine Mauer.

Und neuerdings auch Vordenker, die sie aufpeppen wollen zum Aushängeschild des Mierendorffkiezes, wenn nicht zum neuen Wahrzeichen für die City West. Da wäre zum Beispiel der Maler Matthias Fernow, Erfinder der bunten Betonpoller am örtlichen Grillplatz. „Farbe macht sexy“, heißt seine Devise. Die Betonbögen in kräftigen Signalfarben hervorheben, das ist seine Idee. „Wir könnten mit den bunten Bögen wunderbar Aufmerksamkeit erregen und Szenebezirken Konkurrenz machen“, erklärte Fernow kürzlich den Teilnehmern einer Konferenz.

Aber im Publikum meldeten prompt mehrere Stimmen Zweifel an, ob das Viertel, das man früher als Kalowswerder kannte, überhaupt sexy werden muss. Und ob es dafür einen solch kräftigen Anstrich braucht. So kann sich Hermann Noack Junior von der bekannten Bildgießerei Noack nicht vorstellen, wie der im Bau befindliche Firmensitz am Spreeufer damit harmonieren soll – „weil diese grellen Farben alles andere erschlagen würden.“

Noack selbst liebäugelt damit, einen Skulpturenpark vor den Mauerbögen zu errichten. Dies wären immerhin Werkstücke aus der gleichen Produktion wie die Quadriga auf dem Brandenburger Tor – sie ist bis heute das berühmteste Werk des Berliner Traditionsbetriebs. Wie ein Skulpturenpark zu Fernows bunten Bögen passen soll? Oder zum Wunsch, Talente der örtlichen Jugendkunstschule Hand anlegen zu lassen? Oder Studenten der Universität der Künste? All das steht im Raum. Entschieden ist noch lange nichts.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich kaum streiten. Charlottenburg streitet trotzdem. Und mitreden ist ja beim Projekt West Side Gallery durchaus erwünscht. „An den Mauerbögen hat der Bezirk Handlungshoheit. Und Anwohner können die Stadt hier als Eigentum begreifen und sich ihrer annehmen“, wirbt Stadtrat Marc Schulte (SPD) für Mitbestimmung. An einem Projekt mit Signalwirkung selbst Hand anlegen – wo gelingt das heute noch? Zugleich ruft der Einzug des Projekts „Nachhaltige Mierendorffinsel 2030“ in Phase zwei des Bundeswettbewerbs Zukunftsstadt nach einem Vorhaben mit Schaufensterwirkung. Die Insel braucht ein Markenzeichen.

Aber muss man es West Side Gallery nennen? Natürlich hinkt der Vergleich mit dem Vorbild im Osten beträchtlich, „weil ja hier die historische Bedeutung fehlt“, wie Schulte selbst weiß. Hier die Hinterlandmauer als frühere Trennlinie der Systeme an den Mühlenstraße. Dort die Uferbefestigung unter dem Heizkraftwerk von Vattenfall. Doch der Name West Side Gallery erregt eben die Neugier.

Und sie ist gewollt, wenn es gilt, dass sich möglichst viele Bürger im weiteren Verfahren mit ihren Meinungen einbringen. Die Idee steht nun im Raum. Die Mauer ist da. Und bei der Kunst wird erlaubt sein, was der Mehrheit gefällt. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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