Vor 25 Jahren wurde erstmals in der DDR frei gewählt

Andreas Otto, hier in einer Ausstellung über die Wendezeit, wurde nach den Kommunalwahlen 1990 Verordneter. | Foto: BW
  • Andreas Otto, hier in einer Ausstellung über die Wendezeit, wurde nach den Kommunalwahlen 1990 Verordneter.
  • Foto: BW
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Pankow. Vor einem Vierteljahrhundert konstituierten sich in den Ost-Berliner Bezirken die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) und Bezirksämter. Bis dahin wurden die Bezirke von Stadtbezirksversammlungen und einem Rat des Stadtbezirks "regiert".

Vor der Bildung der neuen politischen Gremien fanden am 6. Mai 1990 die ersten freien Kommunalwahlen in der DDR statt. "Ein Jahr zuvor hatten ebenfalls Wahlen stattgefunden. Seinerzeit machten viele Oppositionelle von ihrem Recht Gebrauch, bei der Stimmauszählung anwesend zu sein. Dabei konnten wir eindeutig Wahlbetrug nachweisen", erinnert sich Andreas Otto, der heute für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt. "Ende 1989 bin ich dann in die Grüne Partei eingetreten", so der Elektrotechnik-Ingenieur. Als der Termin der Kommunalwahlen 1990 näher rückte, war vieles anders, als gewohnt. "Da gab es zum Beispiel Wahlkreise auf Bezirksebene", erinnert er sich.

"Weil wir als Partei nicht so viele Mitglieder hatten, musste jeder in einem Wahlkreis kandidieren. Mit einer Parteifreundin trat ich im Wahlkreis Kollwitzplatz/Oderberger Straße an. Weil sie ihr Mandat nicht annahm, kam ich schließlich in die BVV. Die bestand damals aus über 100 Leuten." Die wichtigsten Themen, mit denen man sich anfangs beschäftigte, waren Mietenpolitik, Sanierung, der Aufbau des Mauerparks, Straßenumbenennungen und die Aufarbeitung der Stasivergangenheit. Bis 2006 blieb Otto in der BVV. Dann wurde er ins Abgeordnetenhaus gewählt.

Anders als heute, wurden damals in den Bezirken Koalitionen gebildet. In Prenzlauer Berg war das eine aus SPD und Bündnis Prenzlauer Berg, zu dem sich mehrere Parteien zusammengeschlossen hatten. In Pankow wählte eine Koalition aus SPD, CDU und Bündnis 90 das damalige Bezirksamt. In Weißensee gab es eine SPD-CDU-Koalition.

Dem ersten Weißenseer Bezirksamt gehörte Christa Müller an. Die SPD-Politikerin wurde Stadträtin für Familie, Jugend und Sport. Auch die Verkehrsökonomin schlitterte in der Wendezeit in die Politik. Eigentlich wollte sie sich nur als stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission engagieren. Doch dann wurde sie zur Vorsitzenden bestimmt. Als solche stand sie dem Runden Tisch Weißensee zur Vorbereitung der Kommunalwahl Rede und Antwort. Sie war dabei so souverän, dass sie nach der Wahl von den SPD-Mitgliedern gebeten wurde, Stadträtin zu werden.

"Das war eine schöne, aber auch sehr anstrengende Zeit", erinnert sie sich. Eines ihrer wichtigsten Anliegen war es, so viele Kitas wie möglich über die bewegte Zeit zu retten, die damals noch zu den volkseigenen Betrieben gehörten. Diese wollten sich nach und nach von ihnen trennen. Schließlich waren sie ein unnötiger Kostenfaktor. Wie Christa Müller verrät, musste sie da manchmal auch tricksen. Mit Erfolg. "Inzwischen ist das sowieso alles verjährt", lächelt sie.

Für Nils Busch-Petersen, den heutigen Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, ging mit der Wahl des ersten Pankower Bezirksamtes die turbulenteste Zeit seines Lebens zu Ende. Der Rechtswissenschaftler saß 1990 für die FDJ in der Stadtbezirksversammlung Pankow und am Runden Tisch. Als dann der damalige Stadtbezirksbürgermeister wegen des offensichtlichen Wahlbetrugs sein Amt niederlegte, sprach man ihn an. Er hatte sich am Runden Tisch so profiliert, dass er in der Stadtbezirksversammlung im Februar mit nur einer Stimme Mehrheit zum Bürgermeister gewählt wurde. "Ich hatte als Bürgermeister so viel zu tun, dass ich meine Familie kaum noch sah" erinnert er sich. "Deshalb war ich nicht unglücklich, dass ich nach der Wahl mein Amt wieder los war." Im Hauptverband des Einzelhandels fühlte er sich danach sehr gut aufgehoben, so Busch-Petersen.

Dass die freien Kommunalwahlen stattfinden konnten, ist vor allem der Arbeit der Runden Tische zu verdanken. Einer der Moderatoren in Prenzlauer Berg war der Pfarrer Hans-Dieter Winkler. Für ihn war damals erstaunlich, dass das, was der Runde Tisch beschloss, in der Regel auch tatsächlich umgesetzt wurde. Auf die Frage, was er mit Blick auf seine damals gemachten Erfahrungen den Politikern von heute mit auf den Weg geben würde, sagt er: "Die Politiker sollten wieder mehr auf die Bürger hören."

Bernd Wähner / BW
Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

89 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 135× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 920× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 588× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.977× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.