Monopoly an der Thiemannstraße
Dänischer Pensionsfonds kauft 14 Häuser / Neukölln prüft Vorkaufrecht

Eine gute Folge einer bösen Überraschung: Junge und ältere Mieter haben sich in ihrem Protest zusammengefunden, so wie Edeltraud Wude und Elena Poeschl. | Foto: Schilp
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  • Eine gute Folge einer bösen Überraschung: Junge und ältere Mieter haben sich in ihrem Protest zusammengefunden, so wie Edeltraud Wude und Elena Poeschl.
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„Alte Bäume soll man nicht verpflanzen. Sie gehen dann ein“, so hat es Jürgen Lehmann in einem offenen Brief geschrieben. Er ist sich sicher: Verlöre er sein Zuhause, wäre das für ihn das Ende. Allein ist er mit seinen Befürchtungen nicht. Mit ihm bangen rund 300 Mieter an der Thiemannstraße 16-23 und Böhmischen Straße 21 und 23. Denn ihre Häuser wurden an einen dänischen Pensionsfonds verkauft.

Etwa 60 Bewohner der denkmalgeschützten Wohnanlage aus den späten 20er-Jahren sind Rentner. So wie Jürgen Lehmann. Er wurde 1940 in der Thiemannstraße 22 geboren, seine Großeltern hatten lange die Hauswartsstelle für mehrere Häuser, er kennt jeden Winkel, viele Nachbarn, ist tief im Kiez verwurzelt. Die 73-jährige Edeltraud Wude kam vor einigen Jahren hierher. Sie ist lungenkrank, das Treppensteigen fällt schwer. Da ist die Erdgeschosswohnung ideal. Außerdem lebe die Enkeltochter nur ein paar Meter weiter und kümmere sich, erzählt sie. Edeltraud Wude hat ein kleines Transparent aus dem Fenster gehängt. „BoehThie bleibt“ seht darauf.

Miete könnte schnell steigen

Die 14 Häuser in Neukölln sind nur ein Teil eines riesigen Pakets, das die „Industria Wohnen“ an den Pensionsfonds PFA veräußert hat: 3700 Wohnungen in mehreren deutschen Städten wechselten für 1,2 Milliarden Euro den Besitzer. Dass hinter diesem Deal ein Profitinteresse steht, ist offensichtlich. „Die Investoren kaufen zu hohen Preisen. Natürlich wollen sie eine schnelle Refinanzierung und Gewinne“, so Rainer Wild vom Berliner Mieterverein.

Die Neuköllner Bewohner befürchten massive Mietsteigerungen oder Umwandlung in Eigentumswohnungen. Das ist in einem Milieuschutzgebiet zwar nicht ganz einfach, aber dennoch nicht unmöglich. Das Bezirksamt will den Betroffenen zur Seite stehen und vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Dieser Fall sei ein besonderer, hier würde monopolyartig eine ganze Straße ver- und gekauft, sagt Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne). „Wir versuchen, das Maximale für die Mieter rauszuholen.“ Deshalb sei er mit der Wohnbauten-Gesellschaft Stadt und Land und mehreren Genossenschaften, die die Anlage übernehmen könnten, im intensiven Gespräch.

Vorkauf unter hohem Zeitdruck

Die Zeit drängt: Am 7. Januar endet die Frist für das Vorkaufsrecht. Derzeit laufe eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Senatsfinanzverwaltung, so die Linken-Abgeordnete Gabriele Gottwald, die sich für die Mieter aus der Thiemannstraße starkmacht. Fällt diese Prüftung positiv aus, kann der Senat der Gesellschaft Stadt und Land einen Zuschuss von zehn Prozent des Kaufpreises gewähren.

Die Hausgemeinschaft gibt sich kämpferisch: „Wir ziehen das bis zum 7. Januar durch“, kündigt Sprecherin Elena Poeschl an. Dafür erntet sie Lob von Rainer Wild: „Mieter in solchen Situationen müssen aktiv werden und protestieren, das ist ganz wichtig.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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