Radfahrer, Schulplätze und die ewige Nummer eins
Angenehmes und Aufreger – Die Hitliste aus 2018 in Friedrichshain-Kreuzberg

Kampf gegen befürchtete Mieterhöhungen und Verdrängung, hier Anfang des Jahres die Anwohner der Eisenbahn- und Muskauer Straße. Auch in diesem Fall wurde das Vorkaufsrecht eingesetzt.  | Foto: Thomas Frey
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  • Kampf gegen befürchtete Mieterhöhungen und Verdrängung, hier Anfang des Jahres die Anwohner der Eisenbahn- und Muskauer Straße. Auch in diesem Fall wurde das Vorkaufsrecht eingesetzt.
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Am Jahresende wird traditionell zurückgeschaut. Was waren die wichtigsten Themen der vergangenen zwölf Monate? Daraus entstand diese subjektive "Hitparade" der Friedrichshain-Kreuzberger Tops und Flops im Jahr 2018. Einige tauchen regelmäßig in den Charts auf, andere sind neu oder haben sich nach vorne geschoben.

Platz 12: Mehr Beteiligung. Bürgerengagement wird in Friedrichshain-Kreuzberg traditionell großgeschrieben. Im vergangenen Jahr gab es die Wahl zum Parkrat für den Görlitzer Park. Interessenvertreter aus der sogenannten Zivilgesellschaft gehören auch zum Gründungsrat für die künftige Entwicklung des Dragonerareals. Neu ist außerdem eine sozusagen institutionalisierte Beteiligung vor allem von Initiativen und Gruppen und konkret bei Bauvorhaben, einschließlich Anlaufstelle in der Verwaltung und Geld für das Engagement von unten.

Platz 11: Rad- und anderer Verkehr. Der Ausbau des Fahrradverkehrs steht ganz oben auf der Agenda des Bezirks. Mehr Spuren für Pedaltreter müssen her, wofür auch die Landesebene mehr Tempo machen müsste. Hindernisse sollen verschwinden, etwa parkende Autos auf den Radstreifen.

Probleme gab es 2018 erneut auf den Straßen. Bekanntestes Beispiel: die seit Ende August wegen eines Risses halbseitig gesperrte Elsenbrücke. Auch im öffentlichen Nahverkehr lief nicht alles rund. Die gute Nachricht hier: Am 9. Dezember wurde das (fast) fertig umgebaute Ostkreuz eröffnet.

Platz 10: Besetzeraktivitäten. Die Gerhart-Hauptmann-Schule ist nach jahrelanger Dominanz an dieser Stelle nicht mehr vertreten. Anfang 2018 zogen die letzten Besetzer aus. Sie haben an anderen Stellen Nachfolger gefunden. Seit Oktober ist eine Wohnung in einem zuvor leerstehenden Haus an der Großbeerenstraße 17a okkupiert. Es gibt Verhandlungen mit dem Eigentümer, der dort ein soziales Zentrum einrichten möchte. Bis Mitte Januar läuft eine Duldungsfrist.

Mitte Oktober kam es zu einer Piraterie auf dem ehemaligen Jugendfreizeitschiff Freibeuter in der Rummelsburger Bucht. Zuvor war dort eine Gesellschaft in Gründung an Bord, die für den Kahn 225 000 Euro geboten hatte, den Kaufpreis aber schuldig geblieben war. Aus vielen Gründen müsse die aktuelle Besetzung schnell beendet werden, lautet die zumindest vorherrschende Einschätzung. Ein wichtiger sind die Gesundheitsgefahren durch das verseuchte Wasser. Eine Räumung wird aber mehrheitlich abgelehnt.

Platz 9: Länger und teurer. Verzögerungen bei öffentlichen Bauvorhaben werden oft hingenommen wie Schnee im Winter. 2018 gab es sie aber an so vielen Stellen, dass es für einen Chartplatz reichte. Nur einige Beispiele: Der schon seit Jahren geplante und von Protest begleitete Umbau des Fraenkelufers musste erneut auf Frühjahr 2019 verschoben werden. Die Umgestaltung des Mehringplatzes beginnt ebenfalls später und wird, wie die meisten anderen Vorhaben, teurer. Nicht nur an dieser Stelle war es schwer, überhaupt eine Baufirma zu finden. So wie auch bei der Kitasanierung in der Fredersdorfer Straße. Sie entwickelte sich zu einem Mammutprojekt, das mehr als drei Jahre dauerte. Die meiste Zeit davon mussten die Kinder in einem Container untergebracht werden. Zuletzt sorgte ein nicht mehr auffindbarer Parkettleger für eine weitere Verzögerung. Immerhin: am 3. Dezember ging diese Odyssee zu Ende.

Platz 8: Vorkaufsrecht. Sozusagen die "große Kanone" beim Einsatz gegen spekulationsverdächtige Neueigentümer einer Immobilie kann in Milieuschutzgebieten in Stellung gebracht werden. Dort hat der Bezirk die Möglichkeit, bei jedem Objekt, das auf den Markt kommt, einen Vorkauf anzuzeigen. Und praktiziert das inzwischen regelmäßig, meist mit Hilfe landeseigener Wohnungsunternehmen. In noch mehr Fällen kommt es zur sogenannten Abwendungsvereinbarung. Das bedeutet, der Käufer behält sein Gebäude, muss sich aber bestimmten Mieter schützenden Vorgaben unterwerfen.

Platz 7: Florian Schmidt. Der Grünen-Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg hat es 2018 zu nationaler Bekanntheit gebracht. Ausweis dafür waren unter anderem Auftritte in den Fernsehtalkshows von Sandra Maischberger und Frank Plasberg. Grund für das Interesse: Schmidts Kampf gegen Wohnungsspekulation, siehe vor allem Vorkaufsrecht. Von Anhängern und manchen Betroffenen wird er als "Robin Hood der Mieter" gefeiert. Seine Gegner halten ihn für überschätzt oder finden, er vernachlässige andere Aufgabenbereiche.

Platz 6: Ordnungsamt. Immer eine gerne aufgelegte Platte. Der Platz in der Hitparade wurde 2018 unter anderem durch mehrere Anfragen der Grünen gesichert. Ihr Vorwurf: Das Amt arbeite ineffektiv und kümmere sich zu wenig um die wirklichen Probleme wie Falschparker auf Radwegen. Der verantwortliche Stadtrat Andy Hehmke (SPD) verweist dagegen auf den noch immer längst nicht ausreichenden Personalbestand bei den Kiezstreifen sowie immer mehr Aufgaben, die dem Amt aufgedrückt werden.

Platz 5: Gute Investoren, böse Spekulanten. Nicht nur gegen Immobilieninvestoren wird im Bezirk mobil gemacht. Auch Wirtschaftsmultis müssen mit Widerstand rechnen. Speziell wenn sie aus der Liga der Global Player wie Google kommen. Der Internetriese nahm im Oktober von seinen Plänen Abstand, im ehemaligen Umspannwerk an der Ohlauer Straße einen Campus für Start-ups einzurichten. Dem Schritt vorangegangen waren massive Proteste gegen das Vorhaben, einschließlich einer kurzfristigen Besetzung. Die Anti-Google-Front feierte den Rückzug als großen Erfolg. Andere Stimmen werteten ihn als Beleg für ein wirtschafts- und innovationsfeindliches Klima in Friedrichshain-Kreuzberg.

Als "guter Investor" sieht sich die Holzmarkt-Genossenschaft bei ihrem Eckwerk-Projekt an der Holzmarktstraße. Trotzdem sei sie von der Bezirks- und Landespolitik ausgebremst worden. Die will in dem futuristischen Gebäudekomplex auch eine große Zahl von Studentenwohnungen unterbringen. Was aber weniger zu den Plänen der Holzmarkt-Genossen passt. Und das ist nur einer von vielen Streitpunkten. Einen Kompromiss ausloten soll jetzt ein sogenannter "90-Tage-Rat", den die bisher verhinderten Bauherren im November installierten. Beim Bezirk stieß dieser Vorstoß eher auf Zurückhaltung.

Um die Zukunft des RAW-Geländes ging es in diesem Jahr bei mehreren sogenannten Werkstattgesprächen. Den bisher vor allem nächtlichen Hotspot wollen seine Eigentümer, die Kurth-Gruppe und International Campus, in Richtung einer 24-Stunden-Nutzung weiterentwickeln. Was auch den Bau neuer Gewerbe- und Bürogebäude beinhaltet. International Campus verfolgte lange auch Wohnbaupläne, macht die aber inzwischen nicht mehr zu einem Muss. Viele Neubauvorhaben werden von verschiedenen Initiativen kritisch gesehen. Außerdem fordern sie einen Bestand der vorhandenen soziokulturellen Akteure, etwa durch preisgünstige Mieten. Wer aber alles in diesen Genuss kommen soll, ist zwischen ihnen und dem Eigentümer noch immer umstritten.

Platz 4: Ein Platz in der Kita. Friedrichshain-Kreuzberg hat aktuell rund 15 000 Kitaplätze. Bereits in den vergangenen Jahren wurde aufgerüstet, und in den kommenden Jahren soll das Angebot auf rund 18 000 erweitert werden. Trotzdem können noch immer nicht alle Kinder aus dem Bezirk aufgenommen werden oder müssen lange warten. Was Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne) auch damit begründet, dass rund 1000 Ortsfremde ebenfalls hiesige Kitas bevorzugen. Aussagen, die ihr den Vorwurf einbrachten, sie verfolge eine "Friedrichshain-Kreuzberg First"-Strategie. Weiteres Problem: Auch Kitas werden immer wieder Opfer von Verdrängung auf dem Immobilienmarkt oder bekommen es mit stark erhöhten Mieten zu tun.

Platz 3: Fete gegen Ruhe. Die Nebenwirkungen nächtlichen Treibens blieben auch 2018 hitverdächtig. Zu Beginn des Jahres war noch geplant, mit einer Allgemeinverfügung für die Simon-Dach-Straße ein Exempel zu statuieren. Sie hätte bedeutet, dass für alle Außenausschankbetriebe um Mitternacht, spätestens 1 Uhr Schichtende gewesen wäre. Das Vorhaben wurde aber abgeblasen, unter anderem deshalb, weil die Freiluftlokale zumindest nicht allein die Ursache für ruhestörenden Lärm und weitere Auswirkungen des Partytourismus sind. So gab es auch im abgelaufenen Jahr vor allem einige "weiche" Gegenmaßnahmen, wie Hinweise an die Feiernden, sich einigermaßen zu benehmen, angereichert durch Schwerpunkteinsätze des Ordnungsamtes.

Platz 2: In vielen Schulen ist es eng. Der Senat hat inzwischen seine Schulbauoffensive auf den Weg gebracht. Fünf Milliarden Euro sollen in knapp zehn Jahren in neue und sanierte Gebäude investiert werden. Bei dem Mammutprojekt hakt es aber noch an vielen Stellen. Dabei muss es gerade in Friedrichshain-Kreuzberg ziemlich schnell gehen. Vor allem in Friedrichshain sind viele Grundschulen längst an ihrer Kapazitätsgrenze. Und selbst mit dem einen oder anderen einigermaßen zügig umgesetzten An- oder Neubau bleiben Engpässe.

Bauarbeiten bedeuten gleichzeitig häufige Einschränkungen im Betrieb. Nach den Sommerferien ist das beispielsweise an der Hausburg-Grundschule deutlich geworden.

Platz 1: Wohnen aber wie? Die neue, alte Nummer eins. Wohnen, Mieten, Gentrifizierung, Spekulation: Das alles ballte sich zum Jahresende am Abwehrkampf gegen den vorgesehenen Kauf von mehr als 700 Wohnungen durch die Deutsche Wohnen an der Karl-Marx-Allee. Ein bisheriger Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen. Aber wahrscheinlich nicht der Letzte. Protest am Holzmarkt. Grund sind die Auseinandersetzungen um das Neubauprojekt "Eckwerk".

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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