Eine permanente Mahnung
Die Berliner Tafel prangert Lebensmittelverschwendung und Armut an

Sabine Werth ist Gründerin der Berliner Tafel und kämpft gegen Lebensmittelverschwendung. | Foto: Berliner Tafel
5Bilder
  • Sabine Werth ist Gründerin der Berliner Tafel und kämpft gegen Lebensmittelverschwendung.
  • Foto: Berliner Tafel
  • hochgeladen von Michael Vogt

Eigentlich klingt es ganz einfach: Übrig gebliebene Lebensmittel in Supermärkten, im Handel, in Hotels und Gaststätten einsammeln und an Bedürftige verteilen. Was das aber in der praktischen Umsetzung bedeutet, weiß kaum jemand besser als Sabine Werth.

Die gelernte Sozialarbeiterin und Unternehmerin hat mit einer Handvoll Gleichgesinnter 1993 die Berliner Tafel gegründet, die sie bis heute ehrenamtlich leitet. „Das Konzept stammt ursprünglich von der New Yorker Organisation City Harvest (Ernte in der Stadt) und ließ sich gut auf Berlin übertragen“, erinnert sich Sabine Werth und ergänzt: „Die Herausforderung bestand darin, ein Netzwerk und ein funktionierendes logistisches System aufzubauen.“ Das ist wahrlich gelungen, denn aus der Handvoll Menschen sind mittlerweile 2700 ehrenamtliche Mitarbeiter geworden. Allein 1600 davon arbeiten für „Laib und Seele“, dem Gemeinschaftsprojekt der Berliner Tafel, der Berliner Kirchen und des RBB, das unlängst 15jähriges Jubiläum feierte. Das Konzept der Berliner Tafel, gespendete Lebensmittel an soziale Einrichtungen zu liefern, wurde damit auf Privatpersonen erweitert.

Die Politik muss sich ändern

Nun sammeln Helfer mit 22 Sprintern an 850 Stellen in der Stadt monatlich rund 660 Tonnen Lebensmittel ein und sind auch bei Großevents wie der Grünen Woche oder Fruit Logistica aktiv. In 45 Ausgabestellen werden diese Lebensmittel an bis zu 50 000 Bedürftige ausgegeben, allerdings nur einmal wöchentlich. „Es bleibt bei einem Wochentag, denn das Projekt soll unterstützen und nicht versorgen“, erklärt Sabine Werth und betont: „Dass wir derzeit ausschließlich mit Spenden, Mitgliedsbeiträgen und ehrenamtlicher Arbeit insgesamt bis zu 125 000 Menschen (inklusive der in sozialen Einrichtungen) helfen, sehe ich als eine permanente Mahnung an die Politik.“ Dabei verzichte die Berliner Tafel bewusst auf staatliche Hilfe, so Sabine Werth: „Wir wollen unabhängig bleiben und uns die Freiheit bewahren, Kritik zu üben.“ Ihre Forderung: „Zunächst muss die Regierung etwas gegen die ungeheure Verschwendung tun - in Deutschland werden jährlich knapp 13 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist konkrete Armutsbekämpfung.“

Dass es dafür hohe Zeit ist, belegt die neuste Zahl von über 1,6 Millionen bedürftigen Menschen deutschlandweit. Parallel dazu verzeichnen die Tafeln trotz steigender Helferzahlen einen Rückgang an geleisteten Arbeitsstunden. Ein Trend, den Sabine Werth für Berlin nicht bestätigen kann. Sowohl die Bedürftigenzahlen als auch der Umfang der Ehrenamtstätigkeit seien in Berlin derzeit konstant. „Es sind aber überwiegend Rentner, da viele Berufstätige die vorausgesetzten acht Mindeststunden am Stück mit ihrer Arbeitszeit nicht vereinbaren können“, sagt Sabine Werth. Viele seien, so die Vorsitzende, oft selbst Hartz4-Empfänger, über Arbeitsmaßnahmen zur Tafel gekommen, kennen aus eigener Erfahrung die Warteschlangen vor einer Ausgabestelle. Durch ihren Einsatz wollen sie nun etwas zurückgeben.

Pfandautomaten mit Spendefunktion

Sabine Werth ist derweil ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, Geld und Sachspenden für die Tafel zu sammeln. Erfolgreich installiert wurden zum Beispiel Pfandautomaten mit Spendenfunktion in Supermärkten oder Sammelboxen von Lebensmitteln und Kosmetika an den Sicherheitskontrollen der Flughäfen. Auch das Projekt Kimba kommt an: Kindern wird übers Kochen in einem Bus, Bahnwaggon oder in der Schule die Wertschätzung für Lebensmittel vermittelt. Und für 2020 hat Sabine Werth bereits eine Herzensangelegenheit in eigener Sache ins Auge gefasst: „Ich suche eine Grabstelle für langjährige Tafel-Mitarbeiter ohne Angehörige, die ansonsten nur ein anonymes Armenbegräbnis bekommen würden.“

Berliner Tafel, Beusselstraße 44 n-q, 10553 Berlin, Telefon 7827414. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.berliner-tafel.de.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

5 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 233× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 991× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 651× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.140× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.030× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.